Friedrich Wilhelm Weber

Am Amboß (Friedrich Wilhelm Weber)

           

Mir griff des Lebens harte Faust

schon in die krausen Kinderlocken;

den Knaben hat es derb gezaust,

hat ihn umsungen und umsaust,

und wahrlich nicht mit Blütenflocken.

Und »Schaffen!« rief's; »die Stunde flieht!«

und trieb mich aus der Mutter Kammer:

»Nur der hat recht, der recht sich müht;

du selbst bist deines Glückes Schmied.«

Ich weint' und faßte Zang' und Hammer.

Weit fuhr ich, wie die Sehnsucht fährt;

von Riesen lernt' ich und von Zwergen,

und braun und stark zurückgekehrt,

bestellt' ich frisch den eignen Herd

ich meiner Heimat grünen Bergen.

Da hub ich an, mit Mut und Fleiß

zu ernsten Schlägen auszuholen;

den spröden Stahl bezwang mein Schweiß,

und mancher Tropfen, herb und heiß,

fiel zischend in der Esse Kohlen.

Und ob im Lenz die Schwalbe sang,

ob draußen Ros' und Lilie sprossen,

ob fern vom stillen Waldeshang

der Herdenglocken Läuten klang:

ich stand am Feuer unverdrossen.

Und wenn im kalten Januar

die Winterstürme nimmer ruhten,

ob spiegelblank das Eis, ob klar

im Schnee des Gablers Fährte war:

ich schürte trotzig meine Gluten.

So Mond auf Mond, jahraus, jahrein,

so Tage lang und halbe Nächte!

Stets brannte meines Feuers Schein

wie Vestas Feuer hell und rein,

und hoch den Hammer schwang die Rechte.

Wohl träumten mir im Herzen tief

viel wunderbare Melodieen,

ein Zauberwald, der schlief und schlief,

den keine Frühlingssonne rief,

in Frühlingsschönheit aufzublühen.

Mir war ein andres Ziel gestellt,

mir blieb nicht Zeit zu süßen Weisen.

Oft war die Brust wohl hochgeschwellt,

doch »Schaffen, schaffen!« rief die Welt,

und rüstig griff ich nach dem Eisen.

Zuweilen nur erquoll mein Sang,

wenn feuriger die Pulse glühten:

zum ernsten Schlag der Kling und Klang,

nur Funken, die beim heißen Drang

der Arbeit mir vom Amboß sprühten;

der Arbeit, die da nützt und nährt

und vorwärts trägt der Menschheit Fahnen,

die Mut verleiht und Manneswert

und Adel, trotz des Kaisers Schwert

und langen Reih'n verschollner Ahnen! -

Nun mählich wird die Hand mir müd',

bald schlaf' ich in der stillen Kammer.

Zu Häupten legt dem toten Schmied

den Amboß und sein letztes Lied,

legt ihm zu Füßen Zang' und Hammer.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Vom goldnen Überfluss"
Herausgeber: R. Voigtländers Verlag