Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Liebe Zwischen Hertzog Ungenand und Agnes Bernin (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

UNgenand eines vornehmen Hertzogs Sohn / ließ in zarter Jugend nebenst der

anmuthigsten Gestalt / so ein Fürst in sich haben solte / nicht geringe Zeichen seines

Helden-Muths verspüren. Es begab sich / ich weiß nicht / durch was vor Schickung /

daß hochermelter Herr eines WundArtztes / oder wie wir ins gemein zusagen pflegen / eines

Barbires Tochter / in die Augen faste / und weil Sie über ihre GeburtsArt nicht allein

schöne / sondern auch von hohem Gemüthe war / sie inbrünstig zu lieben begunte.

Seine Gedancken waren die Agnes Bernin (so war dieser geliebten Nahme) als eine Seele die ihm

gleichte / ihm zuvermählen / und durch öffentlich Gepränge der Welt seine eyfrige

Flammen scheinen zulassen. Diese junge Heldin / so dem Gemüthe nach vielleicht so

rühmlich einen Scepter / als ihr Vater die Fliette / würde geführet haben / scheuete

nicht allbereit sich des Fürsten Gemahlin zunennen / und begunte schon mit Begleitung eines

Adelichen FrauenZimmers herein zutretten. Der regierende Herr / als Vater / zog dieses hitzige

Beginnen seines Herren Sohnes ihm treflich zu Gemüthe / und weil er wohl schauete daß

dieses / seinen Gedancken nach / schimpfliche Feuer in dem ersten Brande auszuleschen were / so

eilete er in Abwesenheit des jungen Hertzogs nach Sittenburg wo sich gedachte schöne enthielt

/ berufte den Rath daselbst / und ließ diese Sache so weit treiben / daß diese

unglückseeliche Liebhaberin in das Gefängnüs geworffen ward. Weil sie dann nun in

der höchsten Noth ihren HeldenMuth nicht sincken ließ / sondern vielmehr durch

unerschrockene Antwort an Tag geben wolte / daß sie dem Geiste nach nicht gantz unwürdig

sey eine Hertzogin genennet zuwerden; als ward Sie nach gesprochenen Urtheil in einen Sack

gestossen / und in einem flissenden Wasser erträncket. Ihr Gedächtnis schwimmet noch oben

/ und das steinerne Angedencken / so ihr zu Ehren aufgerichtet worden / ist noch nicht geschleift.

Agnes an Ungenand.

             

ISt dieses was ich soll von meiner Agnes haben?

Soll Gruß und Abschied denn nah' aneinander stehn?

Läst meine Taube sich ümbgeben schwartze Raben?

Muß meine Sonne denn so schimpflich untergehn?

Ist kein Erbarmnis mehr in dieser Welt zufinden?

Kennt Blut denn Blut nicht mehr? kennt mich mein Vater nicht?

Läst er mit Kett' und Band dich meine Seele binden?

So bin ich allbereit erbärmlich hingericht.

Ach wär' ich hingericht! Er läst mich in dem Leben /

Damit ich schmecken soll die Galle meiner Noth;

Er läst den TodesStifft auf meinen Hertzen schweben /

Denn ohne dich zuseyn / ist ärger als der Todt.

Die Sinnen wancken mir / die Feder will nicht schreiben /

Das Hertze waltzet sich und will mit Macht zu dir /

Es scheut sich ohne dich itzt mehr in mir zubleiben /

Und was nur Marter heist das find' sich itzt in Mir.

Es steht die Schuldigkeit mir trotzig im Gesichte /

Und spricht mir deutlich zu / ist diß die heisse Gluth?

Läst Albrecht seine Braut vergehen im Gerichte?

Ist dieses seine Treu? ist diß sein HeldenMuth?

Kan seine Liebe denn die Riegel nicht zerbrechen?

Verübt sie diß nicht mehr was in der alten Zeit?

Kan seine Mannheit sich nicht an den Richtern rächen?

Hat denn ein Augenblick die Kräfften abgemayt?

Hergegen muß ich auch den Schluß des Himmels hören /

Der als ein harter Schlag mir in die Ohren fällt /

Du solt / soviel du kanst / den alten Vater ehren /

Er hat dich neben Gott auf diese Welt gestellt.

Mit Eltern soll man nur mit DemuthsWaffen streiten /

Ihr Wort' und Wille soll uns ein Gesetze seyn /

Ihr Seegen kan uns Heil und Wohlfarth zubereiten /

Und Ihrer Flüche Sturm reist alles gutes ein.

So muß ich zwischen Blut und heissen Flammen liegen /

Bin schimpflich halb befleckt / und schmertzlich halb verbrennt /

Und muß den schwachen Hals für dein Verhängnüß biegen /

So diese gantze Welt vor ihren Zaum erkennt.

Ich werde nur erstummt itzunder warten müssen /

Was über dich und mich die Welt beschlossen hat /

Ich liege dem Gelück erbärmlich zu den Füssen /

Und hier bey unser Noth hat auch kein Pflaster statt.

Mit Einfall umbzugehn / den Harnisch anzulegen /

Das ist zwar Ritterlich / doch keine Hülffe nicht /

Den Vater würd' ich nur durch solche That bewegen /

Daß du noch grausamer itzt würdest hingericht.

Ich schaue nur zuviel / das Urtheil ist gesprochen /

Der Vater fleucht vor mir / und läst mich nicht vor sich /

Es hat sein harter Geist sich wohl an mir gerochen /

Er will dir an den Hals / und meinet mich durch dich.

Ich weiß kein Mittel mehr / ich rede nur mit Steinen /

Die Ohren seyn verstopft / das Hertze wird zu Stahl /

Man lacht mein Seuffzen aus und achtet nicht dein Weinen /

Man kräncket dich mit Angst und speiset mich mit Qual.

Das gröste / was mir itzt den Kern des Hertzens naget /

Ist dieses / daß ich dich in diese Noth geführt;

Ich hab' als Jäger dich in dieses Garn gejaget /

Das Eisen komt von mir / so deine Seele rührt.

Denn soltest du die Schmach von fremden Händen leiden /

Und würde deine Brust nicht durch mein Blut verletzt /

So könt ich endlich noch mich in Gedult bescheiden /

Ich sagt: es hat es so der Himmel ausgesetzt.

So soll mein Vater dich in Band' und Eisen legen /

Und meine LiebesBrunst dein Scheiterhauffen seyn /

Ja deiner Brüste Schnee zerschmeltzet meinetwegen /

Diß ist ein HöllenTranck und will mir bitter ein.

Doch alles ist ümsonst / dein Klagen und mein Hoffen /

Verschwindet wie ein Dunst und stirbet ohne Frucht /

Es hat uns in der Welt die höchste Noth betroffen /

Du wirst zum Todt / und ich zur Marter itzt gesucht.

Das Eisen so dich drückt das will mich auch beschweren /

Das Gift so dich verletzt würckt leider! auch in mir /

Wie solte meine Krafft sich nicht wie du verzehren?

Denn meine Seele wohnt itzt nirgends als in dir!

Ach Agnes glaub es mir / ich bin wie du gebunden /

Ich büße weil ich dich in solche Noth gebracht /

Wer deine Glieder schlägt' / der macht auch meine Wunden /

Scheinst du mir Sonne nicht / so bleib ich in der Nacht.

Doch kan und muß ich ja nach dir im Leben bleiben /

So soll dein Nahme stets in meinem Geiste stehn /

Ich will ihn dem Crystall mit Wörtern einverleiben /

Die mit der Ewigkeit in gleichen Zirckel gehn.

Ich will dein edles Grab mit tausend Thränen netzen /

Und wo der gelbe Neid es nur vertragen kan /

So will ich diese Schrifft auf deinen Leichstein setzen /

Daß auch der AfterWelt dein Ruhm sey kund gethan:

Hier ruht ein schönes Weib mit schwartzer Nacht bedecket /

Ein Schatz in dunckler Gruft aus Ungunst hingelegt /

Hier ruht die Reinligkeit / die noch kein Dunst beflecket /

Und dieses / was zuvor die Felsen hat bewegt.

Von ihrer TodesArth ist hier kein Wort zulesen /

Du weist es ohne mich die Welt ist voll Gefahr /

Ach weine / weil sie mehr als Englisch ist gewesen /

Daß bey den Menschen sie fast mehr als sterblich war.

Nun Agnes dieses soll auf deinen Leichstein schreiben /

Der einen heissen Kuß dir in Gedancken gibt /

Man kan zwar meinen Leib von deiner Seele treiben /

Doch mein Gemüthe nicht / so dich auch ewig liebt.

In meinem Geiste kan dein Bildniß nicht verderben /

Hier soll es wohl verwahrt in hohen Ehren stehn /

Und kan mein Hertze nicht mit deinem Hertzen sterben /

So laß doch meine Hand mit dir zu Grabe gehn.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.