Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Liebe Zwischen Rudolphen Königen in Burgundien und Einer führnehmen Marckgräfin Ermegarden (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

und Einer führnehmen Marckgräfin Ermegarden /

DAmals als es wegen RegierungsSachen in Italien oder vielmehr in Lombardien

ziemlich verworren hergieng / und einer dem andern entweder mit Gewalt oder mit List von dem Throne

drang / geschahe es / daß nach Königs Berengars Tode / so vom Flamberten jämmerlich

ermordet worden / Rudolph König in Burgundien / wie er albereit einen guten Anfang gemachet /

sich des Reiches anmassete. Es lebete dazumahl eine junge Wittib / eines mächtigen

Marckgrafens hinterlassene Gemahlin / eine von den anmuthigsten ihrer Zeit / und die ihr

hochangelegen seyn ließ den Scepter der Liebe und des Regiments zugleich in ihren Händen

zuführen. Die Großen / gegen die itztgedachte Heldin nicht zu unbarmhertzig war /

hielten es vor eine Ehre aus derselben Munde Gesetze zuempfangen / den sie so offt mit Liebligkeit

zuvor geküst hatten / und der gemeine Mann billichte das Urtheil der Fürnehmen / wie dann

auch mehr gedachte Marckgräfin sich allbereit der Hauptstadt in Lombardi Paviens

bemächtiget / und in wenig anderer Beschaffenheit als Königin darin Hof hielt. Rudolphen

/ der wegen hochwichtiger Geschäfte auf etliche Zeit in sein voriges Königreich

Burgundien gereiset war / gefiel diese gefährliche Neuerkeit über die massen übel /

wie er dann auch schleunig mit einer ziemlichen Kriegesmacht nach Italien rückte / und mit

denen Völckern / so ihm der Bischoff von Meilandt zugesendet / sich vor Pavie legte / in

Meinung die Löwin nunmehr in ihren Lager zubesuchen. Ermegarde / so keine Mittel mehr

übrig sahe / sich gegen diesen strengen Feind zuschützen / vertrauete endlich die Sache

der Feder / und schrieb an Rudolphen durch eine gewisse Persohn einen Brief / der ihm auch ich

weiß nicht durch was verborgene Kraft / dahin trieb das er die seinigen zuverlassen / und zu

dieser süssen Feindin zufliehen ihm fürnahm. So muß / wann das

Verhängnüß will / der Harnisch zu einem Hochzeitkleide / und der Wall zu einem

Brautbette werden. Rudolph gieng selbige Nacht / als er ihm seine Flucht fürgenommen /

zeitlich schlaffen / wenig Stunden hernach machte er sich auff / und flohe nebenst einen

abgeordneten / der ihm den Weg zeigte / eilend auf Pavie. Wie ihn alda die hitzige Ermegarde wird

empfangen haben / gebe ich diesen zuerwegen / so in dergleichen Sachen nachdencklicher als ich

seyn. Dieses melden die Geschichtschreiber / daß seine Obersten bey angebrochenen Tage

etliche Stunden nicht gewust / was sie wegen so langer Ruh ihres Königes ihnen gedencken

solten / endlich aber aus Argwohn daß er nicht etwa wie ein Holofernes ermordet sein

möchte / die Cammer eröffnet und ein leeres Bett angetroffen haben. Da denn auch bald

erschollen / daß Rudolph sich nach keiner Judith / sondern einer Helenen umgesehen /

weßwegen denn und aus Furcht eines geschwinden Uberfalles sich das gantze Läger

verlauffen / diese zwey Liebhabende aber von diesem Reiche endlich nichts mehr genossen / als die

liebreiche Hoffnung / das Sie haben regieren wollen.

Ermegarde an Rudolphen.

               

ICh weiß nicht was dein Brief vor Regung in mich jaget /

Ein Wort das warnet mich / das andre dreuet mir /

Es scheint wie ieder Reim mir in die Ohren saget /

Ach Rudolph siehe dich auch vor dir selber für.

Ich sage wie es ist / ich kam hieher zufragen /

Was vor ein stoltzes Haubt die welsche Crone sucht /

Man schaute dieses Heer Schwerdt / Pfeil und Feuer tragen /

Es ward Pavie und du von iederman verflucht.

Mein heisses Hertze lag voll heisser ZornesFlammen /

Mich deucht / ein Blick von mir der steckte Dörfer an /

Wie reimt sich aber heut und gestern doch zusammen?

Wohl dem der allezeit beständig bleiben kan.

Ihr Frauen traget nur das Kraut in euren Händen /

So Stahl zu weichem Wachs und Stein zu Wasser macht /

Ihr könt / O schöne Kunst / den Himmel selbst verblenden /

Und seyd bey eurer Lust auf unsre Noth bedacht.

Ihr brauchet unsern Witz / als wie das Schilff im Strande /

Bald richtet ihr ihn auf / bald drücket ihr ihn ein /

Ihr baut euch eine Burg aus Steinen unsrer Schande /

Und heist uns offtermahls nur viertel Menschen seyn.

Ihr streicht oft unser Schwerd damit ihr wolt verwunden /

Mit süssen Balsam an / schlagt und beklagt zugleich /

Der Krancken lachet ihr und schont nicht der Gesunden /

Und unsre Dienstbarkeit ist euer Königreich.

Das weigern wisset ihr mit Freundschafft zuverkleiden /

Ihr weint bey dessen Noth / der euch doch Thäter nennt /

Ihr überredet uns in Wehmuth selbst zu leiden /

In dem uns Hertz und Geist ohn alle Hülffe brennt.

Ihr seyd ja der Natur berühmte Wunderwercke;

Man nennt euch kalt von Arth / und steckt die Männer an /

Man heist euch schwachen Zeug / und spottet unsrer Stärcke /

Man braucht euch nicht in Krieg / und führt die SiegesFahn;

Was wil ich aber euch noch EhrenSäulen bauen /

Es ist zuviel gebaut / man macht mich selbst dazu /

Ich meinte Pavie im Feuer anzuschauen /

Was itzo brennen soll / O Hertze / das bist du.

Ich bin nicht was ich war / ich bin mir frembde worden /

Mein Fessel lieb ich mehr als vormals Helm und Schwerdt /

Diß Leiden nennt mein Brief zwar einen strengen Orden /

Doch in den Hertzen schein ich nicht der Marter werth.

Die Wunden jucken mich / ich spiele mit den Banden /

Der Ketten scharffer Schall ist mir ein Lautenklang /

Ich lache / wenn mein Schiff der Freyheit komt zustranden /

Und Seuffzer seyn nunmehr der beste Lobgesang.

Nun / Ermegarde schau diß was du selbst erfunden /

Ließ diesen kleinen Brief / den deine List erdacht /

Die Dint' ist anders nichts als Blut aus meinen Wunden /

Durch heisse LiebesBrunst verbrennt und schwartzgemacht.

Für dir leg ich gebückt die steiffe Lantze nieder /

Mein Helm berührt itzund in Demuth deinen Fuß /

Und ist ein König dir nicht allzusehr zuwieder /

So geb ich als ein Knecht dir einen heissen Kuß.

Mein wohlgewapfnet Heer gedenck ich zuverlassen /

Und werde nu verblendt ein PossenSpiel der Welt /

Will mich dein schöner Arm mit seiner Gunst ümfassen /

So mein ich daß ich sey dem Himmel zugesellt.

Der Purpur den dein Mund auf seinen Lippen führet /

Das Gold / so die Natur in deine Haare flicht /

Und mehr / das süsse Gifft / so deine Briefe ziehret /

Hat mich / wie starck ich war / verborgen hingericht.

Mich däucht ein süsser Dampf stieg aus den kleinen Schreiben /

Es grief ein Nebel mich und meine Kräfften an /

Ich fühlte mich alsbald durch eine Regung treiben /

Der auch die Herrschafft selbst muß werden unterthan.

Sie riß mich aus mir selbst / sie brach mir Geist und Willen /

Und machte daß ich itzt mir nicht mehr ähnlich bin /

Sie hieß auch diesen Trieb / den du erweckst / erfüllen /

Und giebt mich endlich dir als einen Sclaven hin.

Es mag mein Heer nunmehr nach seinem Willen leben /

Als FeldHerr schau ich itzt nicht ihren Thaten zu /

Es mag ein ieder sich wohin er will begeben /

Die Lieb ist ietzt mein Krieg / die Walstadt aber du.

Ich acht es nicht zuviel was der und jener saget /

Was trift auf dieser Welt der Menschen Urtheil nicht?

Wer alles tadeln wil was andern wohl behaget /

Wird endlich durch das Schwerdt des Unmuths hingericht.

Und wer auch alles fletscht / was der und jener hasset /

Erkieset nimmermehr / was rechte Freude heißt /

Ich folge diesem Zaum / an den ich bin verfasset /

Und der mich itzt erhitzt zu deinen Brüsten reißt.

In sieben Stunden will ich dein Gesichte schauen /

Ich wart' auff nichts so sehr als auff die Mitternacht /

Ich hoff auch / eh' es tagt / ein Lusthauß mir zubauen /

Da die Ergetzligkeit mit klaren Augen wacht.

Ich will auf deiner Brust in Freundschafft mich umschantzen /

Umbzirckt mit heisser Lust / entnommen der Gefahr /

Wir wollen mit bedacht des Friedens Oelzweig pflantzen /

Davor der KriegesDorn mit seinen stacheln war.

Es mag mein kühnes Heer sich wie es will ergetzen /

Es bleibt ein ieder ihm nur selbst der beste Rath /

Sie mögen Ihren Fuß auf Woll' und Rosen setzen /

Nach dem sein Paradieß ihr Fürst gefunden hat;

Doch treibet sie die Lust zu mehrem Streit und Kriegen /

So wiederfahr' ihn' diß was itzt ihr Wunsch begehrt /

Ich trachte diese Nacht im Felde nicht zu siegen /

Und meine Freud ist mehr'/ als ihre Beuthe werth.

Und sagte gleich die Welt / ich hätte sehr gefehlet /

Wer fehlt und fället nicht? Ich bin ein Erdenkloß /

Es ist mir / fall' ich gleich / ein schöner Orth erwehlet /

Ich falle nirgends hin / als nur in deine Schoß.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.