Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Liebe Zwischen Graf Ludwigen von Gleichen und einer Mahometanin (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

FOlgende Geschicht ist nicht eine von den jüngsten / und ich muß nur

bekennen / daß ich gar vor einen andern diese Stelle meiner HeldenBriefe gewidmet habe. Aber

ein Bedencken / und besonders die richtgierige Zeit / darinnen wir leben / hat mich von meinen

ersten Gedancken abgezogen / und dieses / was im Anfange nicht meine Meinung gewesen / hier

aufzusetzen angeleitet. Doch will ich von diesem nichts ferners melden / sondern die Sache so gut

sie ist zu Pappier bringen. Graf Ludwig von Gleichen brachte etliche Zeit mit seiner Gemahlin im

Ehestande zu. Die damahls angesponnene TürckenKriege nötigten auch diesen Helden sein

Heil unter den Christlichen Fahnen zuversuchen / aber dieser Anschlag gerieth nicht der Seinigen

Wunsch und seinem eigenen Fürsatze nach. Er ward in einem Treffen von dem Alcairischen Sultan

gefangen. Des Vortheils seiner Geburth ward damahls gäntzlich vergessen / an statt der

goldenen Sporn legte man ihm mehrentheils Fessel an / und ward gezwungen an stat der muthigen

Pferde / so er zuvor beschritten / die Ochsen zu treiben / und den Pflug zu führen. Waß

ingemein gesagt wird / daß ein annehmlich Auge / und ein gerader Leib die beste

EmpfehlungsBriefe seyn / das ward hier wiederumb aufs neue wahr gemacht. Eine junge Tochter

gemeldeten Sultans / so ihrer Ergetzung halber auf dem Felde gieng / erblickte auch diesen

Fremdling mit Staub gefärbet / und alten Lumpen überzogen. Sie begunte aus etzlichen

Blicken seiner Augen / und auch etzlichen Wendungen seines Leibes leicht zuurtheilen / daß

etwas würdigers an ihm were / als daß er zu einem Ochsentreiber gebrauchet werden solte.

Es zog eine ungewisse Kraft ihr Auge auf daß seinige / und sie fühlte eine Regung von

Wehmuth und Belustigung zusammen vermenget. Kürtzlich sie verspührte leichtlich /

daß hier unversehens eine Perle auf den Mist kommen / und der Purpur zufälliger weise

unter Kutzentuch geworffen worden. Diß was sie des Tages erblickt / erfrischten ihr die

Gedancken / als sie nach Hause gelanget und die Träume / als sie sich zur Ruh begeben hatte.

Es nötigte sie endlich ein ungedultiger Fürwitz sich alleine auf das Feld zumachen / und

diesen Frembdling ohne Nebenaugen zubeschauen. Der nechste Tag darauf ward zu dieser Sache

gewidmet; Sie machte sich durch eine verborgene Tühre aus der Stadt / und erkühnete sich

unsern Grafen um seine Geburth Stand und Gelegenheit zufragen. Die anmuthige Antwort so er ihr

ertheilte / war in den Hertzen der Mahometanin wie ein Funcke / der auf einen dünnen Zunder

fället / Sie ließ erstlich ein paar heisse Thränen über die Wangen rollen /

entdeckte mit kurtzen und halb verbissenen Worten ihr hohes Mitleiden / und versprach mögliche

Hülfleistung und Rettungsmittel. Sie unterließ folgende Zeit nicht so oft es sich nur

fügte ihren Frembdling heimlich zubesuchen / und die Vertrauligkeit kam endlich so weit /

daß sie ihn oft mit ihrer Hand speisete / ihm die Ochsen treiben halff / und den

Schweiß mit ihren Fürtuche von seiner Stirnen wischete. Dieses alles war nur ein

Erleichterungs- doch kein HeylungsMittel. Die inbrünstige Liebe zwang sie endlich / Ihm /

dafern er ihr die Ehe zusagen / und sie mit sich in sein Land führen wolte / Erlösung aus

den Banden zuversprechen / auch ihn / als den die Christlichen Gesetze schreckten / über

vorige Gemahlin noch eine beyzufügen / auf allerhand Arth zu solchem Fürnehmen zu

ermuntern. Mit einem Worte der Handel ist leicht geschlossen / wann die Waare schön ist / und

Kauffer und Verkauffer einig seyn. Ein Handschlag und ein Kuß verknüpften ihre Hertzen /

sie eileten nach den Christlichen Landen. Der Graf verständigte seine Gemahlin seiner

Erlösungs Freundin Ankunfft. Der Pabst ließ diesen ungemeinen Fehl ohne Buße

geschehen. Sie kamen glücklichen nach Hause / die Gemahlin empfing die Mahometanin freundlich

/ und räumete ihr Bett und Hertz ein. Einigkeit und Seegen wiewohl ohne LeibesErben /

schwebeten über dieser Liebe / und das Grab zu Erfurth / da sie alle drey die Asche unter

einem Stein vermischet haben / zeiget gnugsam wie edel ihr Feuer hat müssen gewesen seyn.

Graf Ludwig an seine Gemahlin.

               

ES bringt der kleine Brief dir mehr getreuer Grüsse /

Als Freude sich itzund in meinem Hertzen regt /

Ich schwere / daß ich dich recht in Gedancken küsse /

Und meine Seite sich an deine Seite legt.

Verzeihe / Liebster Schatz / doch meinen schlechten Schreiben /

Daß Wort und Zeilen nicht in rechter Ordnung stehn;

Wem Freud und Zuversicht die schwachen Finger treiben /

Dem wil die Feder nicht in gleicher Wage gehn.

Bald lesch' ich etwas aus / bald mach' ich neue Zeilen /

Bald werd' ich halb entzuckt / bald schlaf ich drüber ein /

Bald wird die Feder faul / bald wil sie fertig eilen /

Und heist offt einen Kleck an statt der Wörter seyn.

Ich weiß nicht wie mir ist / und kan mir selbst nicht trauen /

Ob mein Gesichte hier den wahren Zweck erkiest?

Ob meine Hoffnung auch recht feste weiß zubauen?

Ob nicht ein schlechter Dunst itzund mein Grundstein ist?

Bald reiß' ich wiederum aus diesen falschen Schrancken /

Und schaue deinen Brieff mit scharffen Augen an /

Umbschlüsse mit Vernunfft die flüchtigen Gedancken /

Weil solche Klarheit ja mich nicht verblenden kan.

Ich schaue klar genug und küsse mein Gelücke /

So itzt mit seiner Hand die öden Nächte stöhrt /

Ich spühre wiederum des Himmels warme Blicke /

Der dich mir auf das neu aus seiner Schoß verehrt.

Was hab ich nicht bißher in Einsamkeit erlitten?

Was hat mir nicht vor Angst gefesselt Geist und Sinn?

Was hat mich nicht vor Furcht zu mancher Zeit bestritten?

Daß ich / wie mich bedeucht / mir fast nicht ehnlich bin.

Wie hab ich manchesmahl nach deinem Abereisen /

Wenn ich erwachet bin / die Hand nach dir gestreckt?

Wie offtmahls hat ein Traum dich mir in Band und Eisen

Erschrecklich fürgestellt / und denn mich aufgeweckt?

Bald hab' ich schlaffende gemeinet dich zuküssen /

Und meinen Irrthum denn aus leerer Lufft vermerckt /

Man schaut die Menschen ja am allermeisten büssen /

In dem der Mangel uns die alte Lust versterckt.

Bald hat dein HochzeitKleid / bald haben deine Ringe

Die Pfänder erster Gunst / mir Zähren ausgeprest /

Kein Mensch berichte mich / wie dir es noch ergienge /

Ich schrieb ohn alle Frucht nach Nord / Süd / Ost und West.

Wenn nur ein Thor aufgieng / so meint' ich dich zu hören /

Was eine Tasche trug / das must ein Bothe seyn /

Ich ließ mich iedes Kind / ja ieden Ruf bethören /

Und blieb doch iederzeit verwittibt und allein.

Wenn ich zu Tische gieng und schaute deine Stelle /

Da wir uns offt erfüllt mit Speisen Wein und Lust /

So ward das Zimmer mir zu einer rechten Hölle /

Zu Galle ward mein Wein / zu Wermuth meine Kost.

Der freudenreichen Lust verliebtes Angedencken

War diß / so meinen Geist recht auff die Folter nahm /

Nichts konte mich so sehr in meinem Hertzen kräncken /

Als wenn dein Bildnüß mir in das Gesichte kam.

Der Kinder stetes Wort: Wo muß der Vater bleiben?

War mir ein herber Stoß / den meine Seel empfing /

Des Jammers ist zuviel / ich kan dir nicht beschreiben /

Was vor ein harter Wind durch meine Geister ging. '

Itzt ziehn die Wolcken weg / mein Stern begint zu scheinen /

Der Himmel streicht mein Hauß mit lichten Farben an /

Und er verbeut mir fast dich ferner zubeweinen /

Ach daß ich dich mein Schatz nicht bald umfassen kan!

Was aber schreibest du / und trachtest itzt zuwissen /

Ob die ErlösungsArth mir auch verdrießlich fällt?

Wie solt ich nicht die Hand zu tausendmahlen küssen /

So mir mein Bette füllt / und dich in Freyheit stellt?

Ich will sie warlich nicht nur vor ein Weib erkennen /

Die bloß in Fleisch und Bluth / wie ich und du besteht /

Ich will sie ungescheut stets einen Engel nennen /

Der nur zu unserm Schutz mit uns zu Bette geht.

Ich will mich ihr als Magd / zu ihren Füssen legen /

Ihr wollen soll forthin mir ein Gesetze seyn /

Ich halte sie in Ernst vor unsers Hauses Seegen /

Und geb' Ihr selbst mein Hertz zu einem Zimmer ein.

Wie solt' ich thörichte die Schale nicht verehren /

Darauf der Himmel dich mir überreichen will?

Mein Ohre soll ihr Wort wie die Gebothe hören /

Für dem der Alten Volck auf das Gesichte fiel.

Ich will nach ihrer Arth das Lager zubereiten /

Ich laß Ihr billich halb / was sie mir gantz geschenckt /

Mein Fuß wird nur allein nach derer Wincken schreiten /

Die mir noch unbekant / doch auf mein bestes denckt.

Nun kom Geliebter Schatz! des Glückes weiche schwingen

Wo nichts verderben kan / umschlüsse deinen Leib /

Es wolle dich erfreut in diese Stelle bringen /

Da dich empfangen kan Land / Freunde / Kind und Weib.

Es müsse Sicherheit entsprüssen auf den Wegen /

Dahin du setzen must den abgematten Fuß /

Und wo du wirst dein Haubt zuruhen niederlegen /

Da rege sich zugleich der Seegensüberfluß.

Es müsse dich die Kraft gesunder Luft begleiten /

Die Dornen müssen nicht verfälschen deine Bahn /

Er lasse dich gesund in meine Stube schreiten /

Daß auf den Lippen ich die Rosen brechen kan /

Vor Freuden tritt mir itzt das Wasser ins Gesichte /

Und rollet unvermercht wie Perlen ums Papier /

Ich weiß du hält'st das Wort nicht etwan vor Getichte /

Die Silben seyn verlescht / du schaust die Zeugen hier.

Dein Leitstern sey gegrüst! doch wil ich Ihrentwegen

Auf kein zu grosses Bett' immittelst seyn bedacht;

Denn wird die Liebe sich mit uns zu Bette legen /

So wird der kleine Raum bald werden weit gemacht.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.