Christian Hofmann von Hofmannswaldau

ICh singe tauben ohren... (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

ICh singe tauben ohren /

    Dein schönes antlitz kennt mich nicht /

Hab ich der freundschafft süsses licht /

Mein bestes kleinod gantz verlohren?

    Wird denn mein tag zu düstrer nacht?

Soll ich mich lebendig begraben?

    Und deiner augen schöne pracht /

So vormahls sonne war / itzt zu cometen haben?

Was sind es doch für sünden /

    Davor ich peinlich büssen muß /

Und aller schmertzen überfluß /

Als übelthäter / itzt empfinden?

    Doch laß der übelthäter recht

Mich / eh' ich sterbe / nur geniessen!

    Und mache / daß dein armer knecht /

Was er verbrochen hat / mag vor dem tode wissen.

Vor was hab ich zu büssen?

    Vor göttin hab ich dich erkennt /

Mein hertz als weyrauch dir gebrennt /

Und mich gelegt zu deinen füssen.

    Strafft mich der himmel oder du?

Dir hab ich mich in mir verzehret;

    Der himmel stürmet auff mich zu /

Dieweil ich dir zu viel / und ihm fast nichts gewähret.

Doch wilt du göttin heissen /

    Zu der dich deine tugend macht?

So must du auch bey solcher pracht

Dich der erbarmung stets befleissen.

    Reiß deinen kalten vorsatz ein /

Nicht mache meine noth zum schertze /

    Die hölle lehret grausam seyn /

Der himmel / dem du gleichst / verträgt kein steinern hertze.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.