Muhammad Schams ad Din Hafis

Ich bin es, dem der Schenke Winkel... (Muhammad Schams ad Din Hafis)

Ich bin es, dem der Schenke Winkel

    ein Haus des Gottesdienstes scheint,

Und der im Gruß des alten Wirtes

    ein Frühgebet zu hören meint.

Lass' ich auch nimmermehr erklingen

    der Morgenharfe süßen Ton,

Das Lied, das ich des Morgens singe

    entschuldigt mich genugsam schon.

Mich kümmern Kaiser nicht und Bettler,

    und dankbar preis ich Gott dafür;

Mein Kaiser aber ist, wer bettelt

    im Staub an meines Freundes Tür.

Im Gotteshaus und in der Schenke

    bezweck ich nur Verein mit dir:

Dies ist mein einziger Gedanke,

    und Gott bezeugt es selber mir.

Dein Bettler will ich lieber heißen,

    als Herrscher über Völker sein,

Denn all mein Ruhm und meine Ehre

    ist deine Härte nur allein.

Seit mein Gesicht an diese Schwelle

    ich hinzulegen mich gewohnt,

Steht mein Palast bei weitem höher

    als jener, wo die Sonne thront.

Hafis! Zwar liegt die Sünde nimmer

    in unsrer freien Wahl; allein

Du magst den Pfad der Tugend wandeln,

    die Sünde laß mein eigen sein!

(Übersetzung:

Ritter V. von Rosenzweig-Schwannau)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-009420-8
Erschienen im Buch "Gedichte aus dem Diwan"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.