Heinrich Seidel

Die Leuchtemännchen (Heinrich Seidel)

Die Leuchtemännchen

Ferchesar liegt bei Rathenow,

Dort war ein Kuhhirt fromm und froh,

Der seine Kühe auf die Weide

Alltäglich trieb in wald'ger Heide

Und seine Sache so verstand,

Wie irgend einer nur im Land.

Doch auch dem Besten kann es fehlen,

Und Abends einst beim Ueberzählen

Er mit Entsetzen plötzlich sah:

Die bunte Liese ist nicht da!

Welch' Schreck! Die beste war's von allen,

Des Dorfes Neid und Wohlgefallen!

Und sie zu suchen alsobald

Kehrt eilig er zurück zum Wald.

Er stolpert durch die finstern Räume,

Reisst sich an Dornen, stösst an Bäume,

Und stecken bleibt in Bruch und Sumpf

Beinah der Stiefel sammt dem Strumpf.

Doch alles Suchen ist vergebens,

Und überdrüssig seines Strebens

Setzt er auf einen Stamm sich nieder,

Zu ruhen seine müden Glieder.

Was thut in solchem Fall der Mann?

Er steckt sich eine Pfeife an,

Dass köstlich ziehn um seine Nase

Die bläulichen Verbrennungsgase.

Doch als er nun den Kopf ausklopft,

Bedächtig ihn voll Tabak stopft,

Da glimmt's und flimmert's rings hervor,

Und überall aus Bruch und Moor

Da flammen Leuchtemännchen auf

Und flackern her in schnellem Lauf,

Bis sie den Hirten ganz umringen,

Sich blinkend auf und nieder schwingen,

In wildem Tanz herum sich drehn,

Ganz teufelmässig anzusehen!

Wohl Mancher hätte Angst bekommen;

Den Hirten hat's nicht überkommen,

Denn so ein ächtes Kind der Mark,

Das fürcht sich nicht vor jedem Quark!

Er lässt die Dinger ruhig springen

Und ihre Feuerbeinchen schwingen

Und holt aus seinem Futteral

Gemächlich Schwamm und Stein und Stahl

Doch als er nun will Feuer pinken,

Und schon die ersten Funken blinken,

Da wird das Völkchen ganz wie toll

Und funkelt ihm die Augen voll,

Und ringsum flimmert's dicht bei dicht

Und springt ihm flammend ins Gesicht

Und saust ihm um den Kopf herum! -

Das scheint dem Hirten doch zu dumm:

Er nimmt den Stock ganz unverfroren,

Haut ihn den Dingern um die Ohren

Und schlägt dazwischen kreuz und quer!

Nun wurden's aber immer mehr,

Denn jeder Schlag hat sie verdoppelt!

Das flirrt und flammt und springt und hoppelt,

Und dichter schliesst der Feuerkreis!

Dem Hirten wird es siedend heiss

Und um die Gaukelei zu enden,

So langt er kühn mit beiden Händen

Gerade in den dicksten Haufen

Ein Leuchtemännchen sich zu kaufen.

Er greift und fasst ein Knöchlein klein,

So zart und weiss wie Mondenschein.

Das scheint den Dingern doch zu grob

Und ganz verwirrt sind sie darob.

Sie flackern plötzlich auseinander -

Es wird ein Huschen und Gewander,

Die einen sich durch Bäume winden,

Verglimmend in die Ferne schwinden,

Hier leuchtet eins noch einmal vor,

Verflackert dann in Busch und Rohr,

Dass eine in den Boden taucht,

Das andre in die Luft verhaucht,

Und eh' der Hirt weiss wie's geschah,

Sitzt er im Finstern einsam da!

Er steckt das kleine Knöchlein ein, -

Greift ruhig dann zu Stahl und Stein,

Und ohne weitres Abenteuer

Macht er für seine Pfeife Feuer

Und giebt sich auf den Weg nach Haus,

Zu schlafen alle Mühsal aus.

Der Hirte bracht' zu Stall die Kuh

Und sucht' zum zweiten Mal die Ruh

Und legte sich und schlief gemach

Vergnügt bis an den hellen Tag.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Glockenspiel - Gesammelte Gedichte, Band VII der Gesammelten Sch"
Herausgeber: A.G. Liebeskind