Heinrich Seidel

Abseits (Heinrich Seidel)

Abseits

Des Krieges Woge warf ihn aus,

Todtwund und fern vom Vaterhaus,

Und eh' sein Name ward Jemand kund,

Verschloss ihm der Tod für ewig den Mund.

Auf seiner durchschossenen Brust man fand

Eine Locke grau mit verblichenem Band,

Darauf eine Inschrift zeigte sich:

"Mein lieber Sohn, ich bete für dich!"

Ein Jüngling schön mit lockigem Haar -

Man legte ihn auf die Todtenbahr. -

Man trug ihn hinaus beim Abendschein -

Es folgte das Volk in langen Reih'n.

Und als nun verstummte des Priesters Gebet,

Ein Murmeln durch die Menge geht,

Denn es tritt hervor in des Abends Gold

Zur Todtenbahr eine Jungfrau hold.

Die Sonne versinkt im Wolkenmeer,

Und tiefe Stille wird rings umher,

Dumpf poltert nieder der feuchte Sand -

Gott tröste die Mutter im fernen Land!

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Glockenspiel - Gesammelte Gedichte, Band VII der Gesammelten Sch"
Herausgeber: A.G. Liebeskind