Gottlieb Konrad Pfeffel

Der treueste Vasall (Gottlieb Konrad Pfeffel)

(1794)

       

Der Erde mächtigster Despot,

Nicht Hindostans, nicht Stambuls Kaiser,

Der Fürst der Mitternacht, der Tod,

Versammelte die beiden Häuser

Von seinem schwarzen Parlament.

Nach einem kurzen Kompliment

Sprach er: »Zum Wachstum unsrer Staaten

Fehlt ein Vezier, der in dem Reich

Die Volkszahl mehre. Meldet euch,

Wer ihr auch seid, ihr Kandidaten

Aus unsrer Dienerschaft!« Er schwieg.

Die Gicht, das Fieber und der Krieg

Verrannten sich den Weg und traten

Mit des Verdienstes edelm Stolz

Vor seinen Thron von Ebenholz.

»Ich bin«, sprach jeder, »unter allen

Der treuste deiner Kronvasallen.

Der Erdball und das Schattenland

Bezeugen es.« Der Sultan blickte

Sie huldreich an. Der Reichstag fand

Die Auswahl schwer. Nach ihnen rückte

Die bleiche Pest aus ihrem Sitz.

»Monarch«, rief sie mit bittrem Witz,

»Ich will mir selbst nicht Weihrauch streuen,

Mein Lob steht in den Litaneien.«

Der König klatschte, daß sein Thron

Zu wackeln schien, und wollte schon

Das Ehrenamt der Pest verleihen,

Als sich ein fremder Postulant,

Ein Doktor in der Heilkunst, nahte.

»Sire«, sprach er, »dir und deinem Rate

Ist mein Verdienst schon längst bekannt:

Von meinem glücklichen Talente

Enthält der Kirchhof und dein Staat

Wohl manches hundert Monumente.«

»Ei!« rief der Schach, »so sage doch,

Wer bist du, Fremdling?« - »Sire, ein Koch.«

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-87164-032-8
Erschienen im Buch "Skorpion und Hirtenknabe"
Herausgeber: Maximilian Dietrich Verlag