Gottfried August Bürger

Vorgefühl der Gesundheit (Gottfried August Bürger)

An Heinrich Christian Boie.

             

Täuschet ihr mit euerm Wechseltanze,

Du, o Wunsch, und du, o Hoffnung, mich?

Oder naht im Purpurnelkenkranze

Frohen Trittes die Gesundheit sich?

Will sie von dem Dämon mich erlösen,

Welcher meine Kraft gefangen nahm?

Soll ich wiederum zu Dem genesen,

Der ich der Natur vom Busen kam?

Laß mich dir mein Vorgefühl verkünden,

Boie, alter, trauter Herzensfreund!

Wonniglich wirst du es mitempfinden,

Wann der Dulder fessellos erscheint;

Wann er mit der angebornen Stärke

Jugendlich Apollons Bogen spannt,

Oder rüstig zu Athenens Werke

Unter der Aegide sich ermannt.

Ha, dein Freund, einst mehr als halb verloren,

Keck verhöhnt von schnödem Uebermuth,

War zum lahmen Schwächling nicht geboren;

Ihn durchfloß kein träges, feiges Blut.

Das bezeugen ihm des Pindus Würden,

Die er in der Ohnmacht noch erwarb,

Und die Kraft, die unter allen Bürden

Nicht in zwanzig Jahren ganz erstarb.

Heil ihm! Leichter fühlt er schon die Glieder,

Und der Genius, der in ihm strebt,

Schüttelt freier, stärker das Gefieder,

Das dem schweren Nebel ihn enthebt.

Erde, dich mit allen deinen Bergen,

Allem lastenden Metall darin,

Allen Riesen drauf und allen Zwergen

Haucht er bald wie Flaum vor sich dahin.

Edle Rache beut er dann der Schande,

Die er über sein Verschulden trug,

Seit der Hypochonder dumpfe Bande

Um die reingestimmten Nerven schlug,

Wann es heller um der Wahrheit Seher,

Wärmer um der Schönheit Pfleger tagt

Und er glorreich eines Hauptes höher

Als zehntausend Alltagsmenschen ragt.

Herr des Lebens, willst du mich erhalten,

O so gib nur Eins, – Gesundheit mir!

Dankend will ich dir die Hände falten,

Aber bitten weiter nichts von dir.

Kühn durch Klippen, Strudel, Ungeheuer

Lenk' ich, allgenugsam mir, alsdann

Auf des Lebens Ocean mein Steuer,

Selbst sein Gott ist ein gesunder Mann.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.