Georg Heym

Der Tod der Liebenden (Georg Heym)

                 

Durch hohe Tore wird das Meer gezogen

Und goldne Wolkensäulen, wo noch säumt

Der späte Tag am hellen Himmelsbogen

Und fern hinab des Meeres Weite träumt.

»Vergiß der Traurigkeit, die sich verlor

Ins ferne Spiel der Wasser, und der Zeit

Versunkner Tage. Singt der Wind ins Ohr

Dir seine Schwermut, höre nicht sein Leid.

Laß ab von Weinen. Bei den Toten unten

Im Schattenlande werden bald wir wohnen

Und ewig schlafen in den Tiefen drunten,

In den verborgenen Städten der Dämonen.

Dort wird uns Einsamkeit die Lider schließen.

Wir hören nichts in unserer Hallen Räumen,

Die Fische nur, die durch die Fenster schießen,

Und leisen Wind in den Korallenbäumen.

Wir werden immer beieinander bleiben

Im schattenhaften Walde auf dem Grunde.

Die gleiche Woge wird uns dunkel treiben,

Und gleiche Träume trinkt der Kuß vom Munde.

Der Tod ist sanft. Und die uns niemand gab,

Er gibt uns Heimat. Und er trägt uns weich

In seinem Mantel in das dunkle Grab,

Wo viele schlafen schon im stillen Reich.«

Des Meeres Seele singt am leeren Kahn.

Er treibt davon, ein Spiel den tauben Winden

In Meeres Einsamkeit. Der Ozean

Türmt fern sich auf zu schwarzer Nacht, der blinden.

Sie sinken tief. Das Meer schließt seinen Mund

Und schillert weiß. Der Horizont nur bebt

Wie eines Adlers Flug, der von dem Sund

Ins Abendmeer die blaue Schwinge hebt.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Dichtungen"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.