Friedrich Theodor Vischer

Das ersehnte Gewitter (Friedrich Theodor Vischer)

         

Es glüht das Land, es lechzet

    die ausgebrannte Au,

jedwedes Wesen ächzet

    nach einem Tropfen Tau.

O Himmel, brich! Entschließe

    dies Blau aus sprödem Stahl,

nur Regen, Regen gieße

    herab ins schwüle Tal!

Er hört. Im Westen webet

    und spinnt ein grauer Flor;

er ballt sich, schwillt und schwebet

    als Wolkenberg empor.

Jetzt mit den Feuerzügeln

    fährt auf der jähe Blitz,

und auf den luft'gen Hügeln

    löst er sein Feldgeschütz.

Heut hat man baß geladen,

    es zuckt wie gestern nicht

in fahlem Schwefelschwaden

    ein stumm verglühend Licht.

Wild schießt der Strahl, der grelle,

    aus dichter Wolkenwand,

rings lodert Geisterhelle,

    der Himmel steht in Brand.

Es kracht. In Ketten wandern

    die dumpfen Donner fort,

von einer Wacht zur andern

    rollt hin das Schlachtenwort.

Schon dampft ein Meer von Würzen

    aus der behauchten Welt,

und satte Wetter stürzen

    auf das geborstne Feld.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Vom goldnen Überfluss"
Herausgeber: R. Voigtländers Verlag