Friedrich Gottlieb Klopstock

Auf meine Freunde (Friedrich Gottlieb Klopstock)

(1747)

(Vgl. »Wingolf«, die Überarbeitung von 1767)

                 

 

Wie Hebe, kühn und jugendlich ungestüm,

Wie mit dem goldnen Köcher Latonens Sohn,

Unsterblich, sing ich meine Freunde

Feyrend in mächtigen Dithyramben.

Wilst du zu Strophen werden, o Lied? oder

Ununterwürfig, Pindars Gesängen gleich,

Gleich Zevs erhabnem truncknem Sohne,

Frey aus der schaffenden Sel enttaumeln?

Die Waßer Hebrus wälzten sich adlerschnell

Mit Orpheus Leyer, welche die Hayne zwang

Daß sie ihr folgten, die die Felsen

Taumeln, und Himmelab wandeln lehrte;

So floß der Hebrus. Großer Unsterblicher

Mit fortgerißen folgte dein fliehend Haupt

Blutig mit todter Stirn, die Leyer

Hoch im Getös ungestümer Wogen.

So floß der Fluß, des Oceans Sohn, daher:

So fließt mein Lied auch, hoch, und gedanckenvol.

Des spott ich, der es unbegeistert,

Richterisch und philosophisch höret.

Den seegne, Lied, ihn seegne mit festlichen

Entgegen gehnden hohen Begrüßungen!

Der dort an dieses Tempels Schwellen

Göttlich mit Reben umlaubt, hereintrit.

Dein Priester wartet. Sohn der Olympier

Wo bleibst du? Komst du von dem begeisternden

Pindus der Griechen? Oder kömst du

Von den unsterblichen sieben Hügeln?

Wo Zevs und Flaccus neben einander, wo

Mit Zevs und Flaccus Scipio donnerte,

Wo Maro, mit dem Capitole,

Um die Unsterblichkeit, götlich zanckte.

Stolz mit Verachtung sah er die Ewigkeit

Von Zevs Pallästen: »Einst wirst du Trümmer seyn,

»Dann Staub, dann des Sturmwinds Gespiele,

»Du Capitol, und du Got der Donner!«

Wie? oder kömst du von der Britannier

Eyland herüber? Göttercolonien

Sendet vom Himmel Gott den Britten,

Wenn er die Sterblichen dort beselet.

Sey mir gegrüßet! Mir komst du stets gewünscht,

Wo du auch herkomst, Sohn der Olympier,

Lieb vom Homerus, lieb vom Maro,

Lieb von Britanniens Göttereyland.

Aber geliebter trunken und Weisheitsvol

Von Weingebirgen, wo die Unsterblichen

Taumelnd herum gehn, wo die Menschen

Unter Unsterblichen, Götter werden.

Da komst du jezt her. Schon hat der Rebengot

Sein hohes geistervolles Horn über dich

Reich ausgegoßen. Evan schaut dir,

Ebert, aus hellen verklärten Augen.

Dir streute, Freund, mein Genius Rebenlaub,

Der unsern Freunden rufet, damit wir uns,

Wie in den Elysäerfeldern,

Unter dem Flügel der Freud umarmen.

Sie kommen. Cramern geht Polyhymnia

Mit ihrer hohen tönenden Lever vor,

Sie geht, und sieht auf ihn zurüke

Wie auf den hohen Olymp der Tag sieht.

Sing, Freund, noch Hermanns. Jupiters Adler wacht,

Beym Lied vom Herman, schon vol Entzükung auf,

Sein Fittig wird breiter, der Schlummer

Wölckt sich nicht mehr um sein feurig Auge.

Die deutsche Nachwelt, wenn sie der Barden Lied,

(Wir sind ihr Barden) künftig in Schlachten singt,

Die wird dein Lied, hoch im Getöse

Eiserner Kriege, gewaltig singen.

Schon hat den Geist der Donnerer ausgehaucht,

Schon wälzt sein Leib sich blutig im Rheine fort:

Doch bleibt am Leichnamvollen Ufer

Horchend der flüchtige Geist noch schweben.

Izt reist dich Gottes Tochter, Urania,

Allmächtig zu sich, Gott der Erlöser ist

Dein heilig Lied. Auf seegn' ihn Göttin,

Segn' ihn zum Liede der Auferstehung.

Doch Freund du schweigst, und siehest mich weinend an.

Ach warum starbst du, göttliche Radickinn?

Schön, wie die junge Morgenröthe,

Heilig und still, wie der Sabbat Gottes.

Nim diese Rosen, Giseke: Lesbia

Hat sie mit Zären heute noch sanft benezt,

Als sie dein Lied mir, von den Schmerzen

Deiner Gespielin, der Liebe, vorsang.

Du lächelst? Freund, dein Auge voll Zärtlichkeit

Hat dir mein Herz schon dazumahl zugewandt,

Als ich zum erstenmal dich sahe,

Als ich dich sah, und du mich nicht kantest.

Wenn ich einst tod bin, Freund, so besinge mich.

Dein Lied vol Tränen soll den entziehenden

Dir treuen Geist noch um dein Auge,

Das mich beweint, zu verweilen zwingen.

Dann soll mein Schutzgeist schweigend und unbemerckt,

Dreymal dich seegnen, dreymal dein heilig Haupt

Umfliegen, und nach mir beym Abschied

Dreymal noch sehn, und dein Schutzgeist werden.

Haßer der Thorheit, aber auch Menschenfreund,

Allzeit gerechter Rabner, dein heller Blick,

Dein lächelnd Antliz ist nur Freunden,

Freunden der Tugend und deinen Freunden

Stets liebenswürdig. Aber dem Thor bist du

Stets furchtbar. Lach ihn, ohne Barmherzigkeit

Todt: Laß kein unterwürfig Lächeln,

Freund, dich im strafenden Zorne stören.

Stolz und demütig, ist der Thor lächerlich:

Sey unbekümmert, wüchs auch der Narren Zahl

Stets, wenn zu ganzen Völkerschaften

Auch Philosophen die Welt bedeckten.

Wenn du nur einen jedes Jahrhundert rührst

Und ihn den weisern Sterblichen zugesellst;

Wohl dir. Wir wollen deine Siege,

Die wir prophetisch sehn, feyrlich singen.

Der Nachwelt winckend, sez ich dein heilig Bild

Zu Lucianen, und zu den Schwiften hin.

Hier solst du, Freund, den Namen (wenig

Führeten ihn) des Gerechten führen.

Lied, werde sanfter, fließe gelinder fort,

Wie auf die Rosen hel aus Aurorens Hand

Der Morgenthau treufelt, dort kömt er

Heiter mit lächelnder Stirn, mein Gellert.

Dich soll der schönsten Mutter geliebteste

Und schönste Tochter lesen, und reizender

Im Lesen werden, dich in Unschuld,

Sieht sie dich etwa wo schlummern, küßen.

Auf meinem Schoß, in meinen Umarmungen

Soll einst die Fanny, welche mich lieben wird,

Dein süß Geschwäz mir sanft erzälen,

Und es zugleich an der Hand, als Mutter

Die kleinre Fanny lehren. Die Tugend, Freund,

Zeigt auf dem Schauplaz Niemand allmächtiger

Als du. Da die zwo edlen Schönen

Voll von gesezter und stiller Grosmut,

Viel tausend Schönen ewig unnachahmbar,

Unter die Blumen ruhig sich sezeten:

Da weint ich, Freund, da floßen Tränen

Aus dem gerührten entzückten Auge;

Da stand ich betend, ernst, und gedanckenvoll.

O Tugend, rief ich, Tugend, wie schön bist du!

Welch göttlich Meisterstück sind Selen,

Die dich in sich zu erschaffen stark sind.

Der du uns auch liebst, Olde, komm näher her

Du Kenner, der du edel, und feuervol

Beyden nie schmeichelnd, beyden furchtbar

Stümper der Tugend und Schriften haßest.

Doch fern von beyden, näher der Geisterwelt,

Wo unbemerkt sich Tugend und Freundschaft eint,

Wo unberühmte schöne Thaten

Königlich sind, doch nicht also heißen,

Wollen wir manchen langsamen Wintertag;

(Ihr Bildniß sey dann zwischen uns aufgestellt!)

Da wollen wir von deinem Glücke,

Deiner empfindenden Freundin, reden.

Der du bald Zweifler, bald Philosophe warst,

Bald Spötter aller menschlichen Handlungen,

Bald Miltons, bald Homerus Priester,

Bald Misantrope, bald Freund, bald Dichter,

Viel Zeiten hast du, Kühnert, schon durchgelebt,

Zeiten von Eisen, silberne, goldene,

Komm Freund, komm wieder zu dem Milton

Und zur homerischen Zeit zurücke.

Noch zweene kommen: Den hat vereintes Blut

Unsrer Voreltern zärtlich mir zugesellt,

Jenen des Umgangs süße Reizung,

Und du Geschmack, mit der hellen Stirne,

Schmidt, der mir gleich ist, den die Unsterblichen

Höhern Gesängen neben mir auferziehn;

Und Rothe, der sich freyer Weisheit,

Und der geselligen Freundschaft heiligt.

Ihr Freunde fehlt noch, die ihr mich künftig liebt.

Wo seyd ihr? Ach Zeit, schöne Zeit, säume nicht.

Komt auserwählte süße Stunden,

Da ich sie seh, und sie sanft umarme.

Und du, o Freundin, die du mich lieben wirst,

Wo bist du? Dich sucht, Fanny, mein einsames

Mein bestes Herz, in dunckler Zukunft,

In Ungewißheit und Nacht, da suchts dich.

Hält dich, o Freundin, hält dich die zärtlichste

Unter den Frauen mütterlich ungestüm:

Wohl dir! Auf ihrem Schoße lernst du

Tugend und Liebe zugleich empfinden!

Wie? oder ruhst du, wo dir des Frühlings Hand

Blumen gestreut hat? Wo dich sein Säuseln kült?

Sey mir geseegnet! Dieses Auge,

Ach dein von Zärtlichkeit volles Auge,

Dieser von Zären schwimmende süße Blick

An Allmacht gleicht er, Fanny, den Himmlischen,

An Huld, an süßen Zärtlichkeiten

Gleicht er dem Blick der noch jungen Eva;

Dis Antliz voll von Tugend, von Großmuth voll,

Dis vor Empfindung bebende beste Herz,

Dies, o, die du mich künftig liebest,

Dieses ist mein! Doch du selber fehlst mir.

Du Fanny fehlst mir! Einsam, von Wehmuth voll,

Und bang und weinend, irr ich, und suche dich,

Dich, Freundin, die mich künftig liebet,

Ach die mich liebt, und mich noch nicht kennet.

Siehst du die Thränen, welche mein Herz vergießt,

Freund Ebert? Weinend lehn ich mich auf dich hin!

Gib mir den Becher, diesen vollen,

Welchen du trinkst, daß ich froh, wie du, sey!

Doch izt auf einmahl wird mir mein Auge hel,

Scharf zu Gesichten, hel zu Begeisterung.

Ich sehe, dort an Evans Altar,

Tief in dem wallenden OpferRauche,

Da seh ich langsam heilige Schatten gehn,

Nicht jene, die sich traurig von Sterbenden

Loshüllen, nein die, welch im Schlummer

Geistig vom göttlichen Trinker duften.

Die bringt die Dichtkunst oftmals im weichen Schooß

Zu Freunden. Kein Aug unter den Sterblichen

Entdeckt sie; du nur, seelenvolles

Truncknes poetisches Auge, siehst sie.

Drey Schatten kommen. Neben den Schatten tönts

Wie Dindymene, hoch aus dem Heiligthum,

Allgegenwärtig niederrauschet

Und mit gewaltiger Cymbel tönet.

Oder, wie aus den Götterversamlungen

Mit des Agyieus Leyerton, Himmel ab

Und taumelnd hin auf Weingebirge

Satzungenloß Dithyramben donnern.

Der du dort wandelst, ernsthaft und aufgeklärt,

Das Auge voll von weiser Zufriedenheit,

Die Lippe voll von feinem Scherz, (ihm

Horcht die Aufmerksamkeit deiner Freunde,

Ihm horcht entzückt die feinere Schäferin)

Schatten wer bist du? Ebert, izt neigt er sich

Zu mir und lächelt! Ja er ist es.

Siehe, der Schatten, der ist mein Gärtner.

Du deinen Freunden liebster Quintilius,

Der unterstellten Warheit vertraulichster,

Ach komm doch, Gärtner, deinen Freunden

Ewig zurück. Doch du fliehst und lächelst.

Fleuch nicht mein Gärtner, fleuch nicht, du flohst ja nicht,

Als wir an jenen traurigen Abenden

Um dich vol Wehmuth still versammelt,

Da dich umarmten, und Abschied nahmen.

Die lezten Stunden, da du uns Abschied nahmst,

Der Abend soll mir festlich und heilig seyn!

Da lernt ich, Freund, wie sich die Edlen,

Wie sich die wenigen Edlen liebten.

Viel Abendstunden fasset die Nachwelt noch.

Lebt sie nicht einsam, Enkel, und heiligt sie

Der Freundschaft, wie sie eure Väter

Heiligten, und euch Exempel wurden.

In meinen Armen truncken und Weisheitsvol

Sprach Ebert: Evan, Evohe; Hagedorn!

Da komt er über Rebenblättern

Muthig einher, wie Lyäus, Zevs Sohn.

Mein Herze bebt mir! Stürmend und ungestüm

Zittert die Freude durch mein Gebein dahin!

Evan! Mit deinem schweren Thyrsus,

Schone mit deinem gefüllten Weyhkelch.

Dich deckt als Jüngling eine Lyäerin,

Nicht Orpheus Feindin, weislich mit Reben zu!

(Und dis war allen Waßertrinckern

Wunderbar, und die in Tälern wonen,

Wo Waßerbäch' und Brunnen die Fülle sind

Vom Weingebirgschen Schatten unabgekült)

So schliefst du sicher vor den Schwäzern,

Nicht ohne Götter ein muthger Jüngling.

Mit seinem Lorbeer hat dir auch Patareus

Und mit gemischten Myrthen dein Haupt umkränzt;

Wie Pfeile von dem goldnen Köcher

Tönet dein Lied, wie des Jünglings Pfeile

Schnell rauschend klangen, da der Unsterbliche

Nach Peneus Tochter durch die Gefilde flog:

Oft, wie der Satyrn Hohngelächter,

Da sie den Wald noch nicht laut durchlachten.

Zum Wein und Liedern wähnen dich Priester nur

Allein geboren; denn den Unwißenden

Sind die Geschäfte großer Selen

Unsichtbar stets und verdekt gewesen.

Dir schlägt ein männlich Herz auch, dein Leben ist

Viel süßgestimter, als ein unsterblich Lied.

Du bist in unsocratschen Zeiten

Wenigen Freunden ein theures Muster.

Er sprachs. Izt sah ich über den Altar her

Auf Opferwolcken Schlegeln in dichtrischen

Geweyhten Lorberschatten kommen

Und unerschöpflich, vertieft und ernsthaft

Um sich erschaffen. Werdet! Da wurden ihm

Lieder, die sah ich menschliche Bildungen

Annehmen, ihnen haucht er schaffend

Leben und Geist ein, und gieng betrachtend

Unter den Liedern, wie Berecynthia

Durch den Olympus hoch im Triumphe geht,

Wenn um sie ihre Kinder alle

Ringsum versamlet sind, lauter Götter.

Noch eins nur fehlt dir. Werd uns auch Despreaux,

Daß, wenn sie etwa zu uns vom Himmel kömt,

Die goldne Zeit, der Musen Hügel

Leer von undichtrischen Geistern da steh.

Komm, goldne Zeit, komm, die du die Sterblichen

Selten besuchest, komm, laß dich, Schöpferinn,

Laß, bestes Kind der Ewigkeiten,

Dich über uns mit verklärten Flügeln!

Tief vol Gedancken, voller Entzückungen,

Geht die Natur dir, Gottes Nachahmerin,

Schaffend zur Seiten, große Geister,

Wenige Götter der Welt zu bilden.

Aus allen goldnen Altern begleiten dich,

Natur, die Dichter, Dichter des Alterthums,

Die großen neuen Dichter; segnend

Sehn sie ihr heilig Geschlecht hervor gehn.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-001391-7
Erschienen im Buch "Oden"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.