Friedrich Gottlieb Klopstock

Bardale (Friedrich Gottlieb Klopstock)

(1748/71)

                 

Einen fröhlichen Lenz ward ich, und flog umher!

Diesen fröhlichen Lenz lehrete sorgsam mich

Meine Mutter, und sagte:

Sing, Bardale, den Frühling durch!

Hört der Wald dich allein, deine Gespielinnen

Flattern horchend nur sie dir um den Schattenast;

Singe dann, o Bardale,

Nachtigallen Gesänge nur.

Aber tritt er daher, der wie der wachsende

Ahorn schlank sich erhebt, komt er der Erde Gott,

Sing dann, glücklicher Sänger,

Tönevoller, und lyrischer!

Denn sie hören dich auch, die doch unsterblich sind!

Ihren göttlichsten Trieb lockt dein Gesang hervor.

Ach, Bardale, du singest

Liebe dann den Unsterblichen!

Ich entflog ihr, und sang, und der bewegte Hain

Und die Hügel umher hörten mein flötend Lied!

Und des Baches Gespräche

Sprachen leiser am Ufer hin.

Doch der Hügel, der Bach war nicht, die Eiche selbst

War der Gott nicht! und bald senkte den Ton mein Lied.

Denn ich sang dich, o Liebe,

Nicht Göttinnen, und Göttern nicht!

Jetzo kam sie herauf, unter des Schattens Nacht

Kam die edle Gestalt, lebender, als der Hain!

Schöner, als die Gefilde!

Eine von den Unsterblichen!

Welches neue Gefühl glühte mir! Ah der Blick

Ihres Auges! Der West hielt mich, ich sank schon hin!

Spräch die Stimme den Blick aus;

O so würde sie süßer seyn,

Als mein leisester Laut, als der gefühlteste,

Und gesungenste Ton, wenn mich die junge Lust

Von dem Zweige des Strauches

In die Wipfel des Hains entzückt!

Aug', ach Auge! dein Blick bleibt unvergeßlich mir!

Und wie nennet das Lied? singen die Töne dich?

Nennt's dich, singen sie: Seele?

Bist du's, das die Unsterblichen

Zu Unsterblichen macht? Auge! wem gleich' ich dich?

Bist du Bläue der Luft, wenn sie der Abendstern

Sanft mit Golde beschimmert?

Oder gleichest du jenem Bach,

Der dem Quell kaum entfloß? Schöner erblickte nie

Seine Rosen der Busch! heller ich selbst mich nie

Im Kristalle des Flusses,

Niederschwankend am Frühlingssproß.

O was sprach itzt ihr Blick? Hörtest du, Göttin, mich?

Eine Nachtigall du? Sang ich von Liebe dir?

Und was fließet gelinder

Dir vom schmachtenden Aug' herab?

Ist das Liebe, was dir eilend vom Auge rinnt?

Deinen göttlichsten Trieb lockt ihn mein Lied hervor?

Welche sanfte Bewegung

Hebet dir die beseelte Brust?

Sag, wie heisset der Trieb, welcher dein Herz durchwallt?

Reizt ohn' ihn dich Iduns goldene Schaale noch?

Ist er himlische Tugend?

Oder Freud' in dem Hain Walhalls?

O gefeyert sey mir, blumiger zwölfter May,

Da die Göttin ich sah! aber gefeyerter

Seyst du unter den Mayen,

Wenn ich in den Umarmungen

Wars nicht, Fanny, der Tag? wars nicht der zwölfte May,

Als der Schatten dich rief? wars nicht der zwölfte May,

Der mir, weil ich allein war,

Öd' und traurig vorüberfloß?

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-001391-7
Erschienen im Buch "Oden"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.