Friederike Kempner

Das rote Blümlein (Friederike Kempner)

Das rote Blümlein

                 

 

Ein rotes Blümlein auf grüner Au,

Ein kleines Wölkchen an Himmels Blau,

Ein feines Mägdlein im leichten Kahn,

Es eilet, es eilet die Flut hinan.

Das Blümlein zittert auf grüner Au,

Das Wölkchen am Himmel wird schwarz und grau,

Das Mägdlein bebet im leichten Kahn,

Und mächtiger eilet die Flut hinan.

Das Blümlein zerstoben auf grüner Au,

Das Wölkchen verschwunden am himmlischen Blau,

Das Mägdlein versunken im leichten Kahn,

Es steiget die Flut die Höhen hinan.

Was stürmst Du, Flut, den Himmel hinan,

Was willst Du, greulicher Wassermann?

O stolzer Knabe, sei ruhig, sei still,

Dein Spiel und Dein Traum und Dein Lieb ich will! –

Mein Spiel ist hin, und mein Traum ist hin,

Was kömmt Dir, Du törichter Mann, in den Sinn?

Mein Lieb lebt unter der brausenden Flut,

Und nimmer verlischt uns're Liebesglut.

Das rote Blümlein, das war mein Spiel,

Dem Wölkchen am Himmel traut' ich so viel,

Dem Mägdlein folgte mein ganzes Herz,

Durch Hütte und Kerker und Not allerwärts.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-88221-802-9
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Matthes & Seitz Verlag