Christian Hofmann von Hofmannswaldau

O Göttin - der ich voller pflicht... (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

    O Göttin / der ich voller pflicht

    Mein erstes opffer angericht /

Verachte nicht die letzten Flammen /

    Und dencke noch an das altar /

    Darauff mein kindisch räuchwerck war /

So dich und mich verband zusammen.

    Ich weiß wohl / daß die schnöde zeit /

    Und meine grosse niedrigkeit

Dein ohr hat von mir weggerissen /

    Und daß kein zeugniß meiner pflicht /

    So hand und seele zugericht /

Recht würdig ist / dich zu begrüssen.

    Doch aber / wilstu göttin seyn?

    So muß auch deiner strahlen schein

Ein kleines opffer nicht verhöhnen.

    Der himmel liebt barmhertzigkeit /

    Und alle götter sind erfreut /

Wenn unsre hände sie versöhnen.

    Drum thu auch deinen himmel auff /

    Und laß der tauben saiten lauff

Mich und mein opffer nicht verzehren!

    Die dürfftigkeit hemmt meine hand /

    Und ist dir doch zuvor bekandt /

Was dir mein armuth kan gewähren.

    Ist gleich räuch-opffer / brandt und heerdt

    Nicht deiner himmel-schönheit werth /

So wird dich das doch nicht beflecken;

    Und bistu göttin / so da liebt /

    Da man ihr himmels-ehre giebt?

So laß mich deinen nectar schmecken.

    Es komme leben oder tod /

    Es komme wohlfahrt oder noth /

Ich nehm es an mit tausend küssen /

    Dein urtheil stärcket meinen muth /

    Ich bin bereit / mein treues blut

Vor deinen füssen zu vergiessen.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.