Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Entwurff der liebe (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

Die lieb ist unvernunfft / die mit vernunfft vermenget /

Ein fried-gesellter haß / betrug vermischt mit glauben /

Ein' hoffnungsvolle furcht / ein schiffbruch / dessen rauben

Uns dennoch süsse dünckt / ein stein so uns bedrängt /

Ein angenehm Charybd / und ein gesundes krancken /

Ein hunger der sich muß mit seiner sattheit zancken /

Ein vollgezechter durst / und truckne nüchterheit /

Ein schönes freuden-spiel / das garstig unglück endet /

Ein port der uns verschlingt / wenn man schonb angelendet /

Ein süsser übelstand / und üble süssigkeit /

Ein bittrer honigsaft / der von geruch beliebet /

Und der uns im geschmack gifft / pest und galle giebet /

Ein wetter das man wünscht / und eine lichte nacht /

Ein dick verfinstert licht / ein abgestorbnes leben

Und ein belebter tod; ein fehler der vergeben /

Doch nicht vergessen wird. Ein schandfleck / der mit pracht

Und schmincke sich bestreicht. Ein tugendhafftes laster

Und schnöder missethat gelindes artzney-pflaster /

Ein unbeständig spiel und ein beständig trug /

Ein' auskräffte krafft / ein gantz beweglich festes /

Ein allgemeiner schluß / der narrheit nennt sein bestes /

Ein rath / der urtheil spricht gantz ohne recht und fug /

Ein wohlstand / der betrübt / ein glück / das nicht erscheinet /

Ein lust-hauß / da die seel den freyen stand beweinet.

( 1697 )