August von Platen

Sieh, du schwebst im Reigentanze; doch den Sinn erkennst du nicht... (August von Platen)

 

Sieh, du schwebst im Reigentanze; doch den Sinn erkennst du nicht;

Dich beglückt des Dichters Stanze; doch den Sinn erkennst du nicht;

Du beschaust die Form des Leibes, undurchschaulich abgestrahlt

Von des Marmors frischem Glanze; doch den Sinn erkennst du nicht;

Als Granate blinkt die Sonne golden dir, die goldne Frucht,

Und der Mond als Pomeranze; doch den Sinn erkennst du nicht;

Ihr Geblüt, das heilig dunkle, das in Trunkenheit dich wiegt,

Bietet dir die Rebenpflanze; doch den Sinn erkennst du nicht;

Sieh, die Palme prangt als Kragen um des ird'schen Rockes Rand,

Sieh, die Fichte hangt als Franze; doch den Sinn erkennst du nicht;

Sterngezelte, Blütenharnisch, blendet und erfreut den Blick,

Taleslager, Bergesschanze; doch den Sinn erkennst du nicht;

Bebend in der Mutter Busen, der gesäugt den ew'gen Sohn,

Siehest du des Schmerzes Lanze; doch den Sinn erkennst du nicht.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000291-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.