Annette von Droste-Hülshoff

Die beschränkte Frau (Annette von Droste-Hülshoff)

Ein Krämer hatte eine Frau,

die war ihm schier zu sanft und milde,

ihr Haar zu licht, ihr Aug' zu blau,

zu gleich ihr Blick dem Mondenschilde;

wenn er sie sah so still und sacht

im Hause gleiten wie ein Schemen,

dann faßt' es ihn wie böse Macht,

er mußte sich zusammennehmen.

Vor allem macht' ihm Überdruß

ein Wort, das sie an alles knüpfte,

das freilich in der Rede Fluß

gedankenlos dem Mund entschlüpfte:

»In Gottes Namen,« sprach sie dann,

wenn schwere Prüfungsstunden kamen,

und wenn zu Weine ging ihr Mann,

dann sprach sie auch: »In Gottes Namen.«

Das schien ihm lächerlich und dumm,

mitunter frevelhaft vermessen;

oft schalt er, und sie weinte drum

und hat es immer doch vergessen.

Gewöhnung war es früher Zeit

und klösterlich verlebter Jugend;

so war es keine Sündlichkeit

und war auch eben keine Tugend.

Ein Sprichwort sagt: Wem gar nichts fehlt,

den ärgert an der Wand die Fliege;

so hat dies Wort ihn mehr gequält

als andre Hinterlist und Lüge.

Und sprach sie sanft: »Es paßte schlecht!«

durch Demut seinen Groll zu zähmen,

so schwur er, übel oder recht

werd' es ihn ärgern und beschämen.

Ein Blütenhag war seine Lust.

Einst sah die Frau ihn sinnend stehen

und ganz versunken, unbewußt,

so Zweig an Zweig vom Strauche drehen.

»In Gottes Namen!« rief sie, »Mann,

du ruinierst den ganzen Hagen!«

Der Gatte sah sie grimmig an,

fürwahr, fast hätt' er sie geschlagen.

Doch wer da Unglück sucht und Reu,

dem werden sie entgegen eilen;

der Handel ist ein zart Gebäu

und ruht gar sehr auf fremden Säulen:

Ein Freund falliert, ein Schuldner flieht,

ein Gläub'ger will sich nicht gedulden,

und eh ein halbes Jahr verzieht,

weiß unser Krämer sich in Schulden.

Die Gattin hat ihn oft gesehn

gedankenvoll im Sande waten,

am Kontobuche seufzend stehn,

und hat ihn endlich auch erraten;

sie öffnet heimlich ihren Schrein,

langt aus verborgner Fächer Grube,

dann, leise wie der Mondenschein,

schlüpft sie in ihres Mannes Stube.

Der saß, die schwere Stirn gestützt,

und rauchte fort am kalten Rohre:

»Karl!« drang ein scheues Flüstern itzt,

und wieder »Karl!« zu seinem Ohre;

sie stand vor ihm, wie Blut so rot,

als gält' es eine Schuld gestehen.

»Karl,« sprach sie, »wenn uns Unheil droht,

ist's denn unmöglich, ihm entgehen?«

Drauf reicht sie aus der Schürze dar

ein Säckchen, stramm und schwer zu tragen,

drin alles, was sie achtzehn Jahr

erspart am eigenen Behagen.

Er sah sie an mit raschem Blick

und zählte, zählte nun aufs neue,

dann sprach er seufzend: »Mein Geschick

ist zu verwirrt - dies langt wie Spreue!«

Sie bot ein Blatt und wandt' sich um,

erzitternd, glüh gleich der Granate;

es war ihr kleines Eigentum,

das Erbteil einer frommen Pate.

»Nein,« sprach der Mann, »das soll nicht sein!«

Und klopfte freundlich ihre Wangen.

Dann warf er einen Blick hinein

und sagte dumpf: »Schier möcht' es langen.«

Nun nahm sie aus der Schürze Grund

all ihre armen Herrlichkeiten,

Teelöffelchen, Dukaten rund,

was ihr geschenkt von Kindeszeiten.

Sie gab es mit so freud'gem Zug!

Doch war's, als ob ihr Mund sich regte,

als sie zuletzt aufs Kontobuch

der sel'gen Mutter Trauring legte.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Vom goldnen Überfluss"
Herausgeber: R. Voigtländers Verlag