Gottfried August Bürger

Der große Mann

         

Es ist ein Ding, das mich verdreußt,

Wenn Schwindel oder Schmeichelgeist

Gemeines Maß für großes preist.

Du, Geist der Wahrheit, sag es an:

Wer ist, wer ist ein großer Mann?

Der Ruhmverschwendung Acht und Bann!

Der, dem die Gottheit Sinn beschert,

Der Größe, Bild, Verhalt und Wert,

Und aller Wesen Kraft ihm lehrt;

Des weit umfassender Verstand,

Wie einen Ball mit hohler Hand

Ein ganzes Weltsystem umspannt;

Der weiß, was Großes hie und da,

Zu allen Zeiten, fern und nah,

Und wo, und wann, und wie geschah;

Der Mann, der die Natur vertraut,

Gleichwie ein Bräutigam die Braut,

An allen Reizen nackend schaut;

Und warm an ihres Busens Glut,

Vermögen stets und Heldenmut

Und Lieb und Leben saugend, ruht;

Und nun, was je ein Erdenmann

Für Menschenheil gekonnt und kann,

Wofern er will, desgleichen kann;

Der ist ein Mann, und der ist groß!

Doch ringt sich aus der Menschheit Schoß

Jahrhundertlang kaum Einer los.

Verfügbare Informationen:

ISBN: 3-15-000228-1

Erschienen im Buch "Gedichte"

Herausgeber: Philipp Reclam jun.

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