Theodor Körner

Die Weisung Apolls (Theodor Körner)

         

Heiß entflammt von meines Herzens Drange

    Mit des Jünglings unerforschtem Sinn,

Um Apollos heiligem Gesange

    Einst zu lauschen, zog ich fröhlich hin,

Wo der Dichtkunst heil'ge Lüfte wehen

Süß erquickend, zu Parnassos Höhen.

Leicht erklimm' ich, dacht' ich mir mit Wonne,

    Jenen Fels. Welch heilig schönes Glück,

Schau' ich dann den Gott der ew'gen Sonne,

    Die Kamönen mit verklärtem Blick!

Sich an ihrem Götterlied zu weiden,

Ist der Urquell aller Seligkeiten.

Manche Länder mußt' ich wohl durcheilen,

    Und durchschiffen mußt' ich manche Flut;

Oft umsauste mich des Sturmes Heulen.

    Alles überstand des Jünglings Mut.

An dem Felsen war ich angekommen

Und ein Teil der Höhe schon erklommen.

Holde Düfte strömten von den Blüten,

    Neu erfrischt vom süßen Morgentau;

Unter dichtbelaubten Zweigen glühten

    Goldorangen in beblümter Au.

Fern im Haine klagte Philomele,

Und das Lied ward zur lebend'gen Seele.

Alles grünte noch in reinerm Lichte

    Wie im Blütenalter der Natur;

Diese Fluren, Blumen, diese Früchte,

    Alles zeigte mir des Gottes Spur,

Und ich fühle mich im heil'gen Reiche

Kühner, daß ich mutig aufwärts steige.

Endlich sink' ich schwer ermattet nieder,

    In des Haines Schatten sink' ich hin,

Und mit seinem düsteren Gefieder

    Kam der Schlaf und schloß den müden Sinn.

Her zu mir, so dünkt' es mir im Traume,

Schwebt Apoll vom blauen Himmelsraume.

Und er glänzte hold mit sanftem Feuer,

    Um die Brust wallt' ihm das goldne Haar;

In den Händen hielt er seine Leier,

    Und der Blick war rein und sonnenklar;

Und im leichten Nebelkranz der Düfte

Schwebt der Götterjüngling durch die Lüfte.

Zornig hört' ich seine Worte klingen:

    »Strebst du nach der neunfach heil'gen Zahl?

Keiner kann der Musen Huld erzwingen.

    Frei und fessellos ist ihre Wahl.

Nicht der Wille kann die Kraft erproben;

Denn die Offenbarung kommt von oben.«

Und ich seh' ihn hell noch vor mir stehen,

    Göttlich glänzend, und er schaut zurück.

Nach dem Göttersitz, den lichten Höhen,

    Flog er zu, ihm folgte schnell mein Blick,

Als ihn eine Wolke zart verhüllte;

Und verschwunden war das Traumgebilde.

Da erwacht' ich schnell vom sanften Schlummer,

    Der die matten Glieder mir erquickt.

Ach! ich kannte nicht des Herzens Kummer;

    Denn die Hoffnungsblume war zerknickt,

Und ich glaubte nur geträumt zu haben,

Hoffte mich am Götterlied zu laben.

Folgen wollt' ich meines Herzens Drange,

    Nähern wollt' ich mich den heil'gen Höhn.

Ach! da ward's im Innern mir so bange,

    Und ich blieb wie angefesselt stehn;

Denn des Fußes Macht war mir gebunden,

Und das Ziel dem ird'schen Blick entschwunden.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Körners Werke"
Herausgeber: Max Hesses Verlag