Paul Fleming

Ist dieses nun das süße Wesen (Paul Fleming)

   

    Ist dieses nun das süße Wesen /

nach dem mich so verlangst hat?

Ist dieses der gesunde Rath /

ohn den ich kundte nicht genesen?

und ist diß meines Wehmuths Frucht /

die ich so emsig auffgesucht?

    O Feind! O Falscher! O Tyranne!

Kupido / das ist deine List.

Der bist du / der du allzeit bist.

Du hast mich nun in deinem Banne.

Der Dienst der falschen Ledigkeit

hat meiner Freyheit mich entfreyt.

    Wie unverwirrt ist doch ein Hertze /

das nicht mehr als sich selbsten kennt /

von keiner fremden Flamme brennt.

Selbst seine Lust / und selbst sein schmertze.

Seit daß ich nicht mehr meine bin /

So ist mein gantzes Glücke hin.

    Sie / diß Mensch / diese Halb-göttinne /

Sie / die ists / mein erfreutes Leid.

Die Krafft der starcken Trefligkeit

treibt mich aus mir und meinem Sinne.

So daß ich sonst nichts ümm und an /

als sie nur / achten muß und kan.

    Ich schlaff' ich träume bey dem wachen.

Ich ruh' / und habe keine Ruh'.

Ich thu / und weiß nicht / was ich thu.

Ich weine mitten in dem lachen.

Ich denck'. Ich mache diß und das.

Ich schweig'. Ich red' / und weiß nicht / was.

    Die Sonne scheint für mich nicht helle.

Mich kühlt die Glut. Mich brennt das Eyß.

Ich weiß / und weiß nicht / was ich weiß.

Die Nacht tritt an deß Tages Stelle.

Itzt bin ich dort / itzt da / itzt hier.

Ich folg' / und fliehe selbst für mir.

    Wie wird mirs doch noch endlich gehen.

Ich wohne nunmehr nicht in mir.

Mein Schein nur ist es / den ihr hier

in meinem Bilde sehet stehen.

Ich bin nun nicht mehr selber Ich.

Ach Liebe / worzu bringst du mich!

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.