Paul Fleming

Der CXXX. Psalm (Paul Fleming)

         

Aus diesem tieffen Schlund'/ aus dieser schwartzen Grufft /

Hab' ich so offt' und offt' / O HERR / zu dir gerufft:

Ach Vater / höre mich! ach laß dein' Ohren mercken

Auff meines flehens Stimm'. * HERR / so du nach den Wercken

Mit uns verfahren wilst / uns unsre Missethat

Und Sünde rechnen zu / so man verübet hat /

HERR / HERR / wer wird vor dir in seinem Thun bestehen.

Wir müssen allesampt auff eins zu scheittern gehen.

Du aber / Gott / vergiebst / daß man dich fürchten sol.

Und so kan mancher noch vor dir bestehen wol /

Der nur frisch aus bekennt / und Gnad' umb Recht begehret.

Das ihm denn / milder HERR / von dir stracks wird gewehret.

So kan man selig seyn. * Ich harre meines HERRN /

Und meine Seele harrt. der frische Safft und Kern /

Den sein Wort in sich hat / heisst so mich auff ihn hoffen.

Diß Wohnhauß meiner Seel' halt' ich dem HERREN offen

Nicht an dem Tage nur. wenn noch die dicke Nacht

Umb mein Gemach ist her / und eh die Sonn' erwacht /

So denck' ich schon an ihn / und warte mit Verlangen

Auff ihn und seinen Trost. * Gantz Israel sol hangen

Mit seinen Hoffnungen und Seufftzen / HERR / an dir /

Denn bloß bey dir allein ist Gnade für und für.

Du bist die Gnade selbst. Wohl! hoffet all' ihr Frommen /

Wir wollen doch durch ihn zur alten Freyheit kommen.

Erlösung hat er gnung. * Und Er / der trewe Gott /

Wird Jacob machen loß von aller Schuld und Noth.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.