Paul Fleming

Andacht (Paul Fleming)

           

    Ich lebe. Doch nicht ich. Derselbe lebt in mir /

    Der mir durch seinen Todt das Leben bringt herfür.

Mein Leben war sein Todt / sein Todt war mir mein Leben /

Nur geb' ich wieder Ihm / was Er mir hat gegeben.

    Er lebt durch meinen Todt. Mir sterb' ich täglich ab.

    Der Leib / mein Irdnes Theil / der ist der Seelen Grab.

Er lebt nur auff den schein. Wer ewig nicht wil sterben.

Der muß hier in der Zeit verwesen und verderben /

    Weil er noch sterben kan. Der Todt / der Geistlich heisst /

    Der ist als denn zu spat / wann uns sein Freund hinreisst /

Der unsern Leib bringt ümm. HERR / gieb mir die Genade.

Daß dieses Leibes-Brauch nicht meiner Seelen schade.

    Mein Alles und mein Nichts / mein Leben / meinen Todt /

    Das hab' ich bey mir selbst. Hilffst du / so hats nicht noth.

Ich wil / ich mag / ich sol / ich kan mir selbst nicht rahten /

Dich wil ichs lassen thun. du hast bey dir die Thaten.

    Die Wünsche thu ich nur. Ich lasse mich gantz dir.

    Ich wil nicht meine seyn. Nim mich nur / gieb dich mir.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002455-2
Erschienen im Buch "Deutsche Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.