Otto Ernst

Ausflug (Otto Ernst)

           

Heut saß ich wieder an meinem Klavier;

sein blankes Holz war Spiegel mir;

drin sah ich mich und mein stilles Zimmer,

den Garten, die Gasse - und fern einen Schimmer

des lichten Himmels.

                           

      Und meine Hand

erging sich spielend im fernsten Land. -

Und hört, - o hört -: Da kam ein Klang,

den sah ich, als er durchs Zimmer sich schwang,

als er dahin übern Garten zog,

leise die flimmernden Wipfel bog,

und weiter, weiter die Straße entlang

schwebte, strebte der heilige Klang.

Rührt' eines Kindes Scheitel an,

daß gleich sein Haar zu leuchten begann -

strich über eines Baumes Dach,

darunter hervor ein süßes Ach

aus eines Vögleins Herzen quoll

und jäh zu hellem Jauchzen schwoll.

Leis über einen Schmetterling,

der am erglühten Kelche hing,

kam hergeweht das süße Klingen,

da dehnt der Falter die stummen Schwingen,

daß ihre scheu verhohlene Pracht

wie eines Auges Glut erwacht.

Und hoch durch eines Waldes Hallen

ging hin der Klang. Das mochte schallen

wie fern erklungener, sehnender Gruß -

der stumme Wandrer hemmt den Fuß

und staunt hinauf, durchschauert ganz,

im großen Auge geheimen Glanz.

Und weiter hinaus über Wiesen und Feld,

in eines Tales versunkene Welt

hinschwebte der Hauch und streichelte mild

mit klingendem Flüstern das Ährengefild -

da glänzt es wie Gold!

                           

        Und rührte die Glocken

des ganzen Tals, daß mit Frohlocken

sich jede dem Himmel entgegenschwang

und friedliche Vesper vom Felsen klang.

Und wallte, hallte hinaus übers Meer,

der klingende Hauch. Wie staunte so sehr

der junge Schiffer im treibenden Boot,

wie spannt sich die Brust ihm in seligster Not -!

Von schimmernden Brüsten blinkte die Flut,

von winkenden Augen voll schillernder Glut!

Und seufzend blickt er empor und hinaus:

Die Sonne ging heim in ihr goldenes Haus.

Zu ihr entschwebte das klingende Wehen -

zu ihr strebt alles in Kraft und Vergehen!

Und hinter leuchtenden Schleiern verlor

den letzten Ton - mein dürstendes Ohr.

Tränende Augen, was habt ihr gesehn?

Zitternde Seele, was ist dir geschehn?

Du flogst mit einem seligen Klang

die weite Sommerwelt entlang...!

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Vom goldnen Überfluss"
Herausgeber: R. Voigtländers Verlag