Muhammad Schams ad Din Hafis

Obgleich ich alt geworden bin... (Muhammad Schams ad Din Hafis)

Obgleich ich alt geworden bin

    und herzenskrank und schwach,

So ward ich doch stets wieder jung,

    sobald ich von dir sprach.

Gottlob, daß noch ein jedes Ding,

    das ich von Gott begehrt,

Wenn ernstlich ich danach gestrebt,

    mir immer ward gewährt!

Am Heerweg ew'gen Glückes stieg

    ich auf des Glückes Thron,

Und, wie die Freunde es gewünscht,

    mit einem Weinglas schon.

Genieße, junger Rosenbaum,

    des Glückes Frucht, denn ich

Erhob zur Nachtigall der Welt

    in deinen Schatten mich!

Bekannt war von der Welt mir einst

    kein Buchstab' und kein Laut;

In deines Grames Schule erst

    ward ich damit vertraut.

Und seit dein Schelmenblick mich traf,

    seit jener frohen Zeit

Ward ich von jeder Schelmerei

    der künft'gen Zeit befreit.

Seit jenem Tag erschloß sich mir

    des Sinnes hohes Tor,

An dem des Wirtes Wohnhaus ich

    zum Aufenthalt erkor.

Das Schicksal weiset unbedingt

    mich an die Schenke an,

So sehr dagegen und dafür

    ich auch bisher getan.

Die Huld des Herrn gab gestern nacht

    die frohe Kunde mir:

Hafis, bereue! Für der Schuld

    Vergebung bürg ich dir.

(Übersetzung:

Ritter V. von Rosenzweig-Schwannau)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-009420-8
Erschienen im Buch "Gedichte aus dem Diwan"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.