Muhammad Schams ad Din Hafis

Mein Körperstaub ist der Schleier... (Muhammad Schams ad Din Hafis)

Mein Körperstaub ist der Schleier,

    der Seelenantlitz umwebt,

O Augenblick, da vom Antlitz

    mir einst der Schleier sich hebt!

Nicht solch ein Käfig ist würdig

    solch eines Sängers wie ich:

Ich will zum Garten von Ridhwan,

    wo ich als Vogel geschwebt!

Mir ward, warum ich gekommen

    und wie ich gegangen, nicht klar:

O schad' und wehe, wie achtlos

    ich meines Standes gelebt!

Wie soll ich feiernd umkreisen

    den Tempel heiliger Welt,

Wenn im Gebäude des Stoffes

    ich an den Leib bin geklebt?

Mir, dem die Bühne der Huris

    zur Stätt' und Wohnung gebührt,

Wie ward im Gau der Berauschten

    der Aufenthalt mir erstrebt?

Vom Liebesdufte mein Herzblut

    verhaucht, o wundre dich nicht!

Vom Schmerz der Blase Chotens hat

    das Mitgefühl mich durchbebt.

O komm, sein eigenes Dasein,

    o nimm's von Hafis hinweg,

Daß niemand möge, wo Du lebst,

    erfahren, daß Ich gelebt.

(Übersetzung: Friedrich Rückert)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-009420-8
Erschienen im Buch "Gedichte aus dem Diwan"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.