Muhammad Schams ad Din Hafis

Jetzt, da die Rose aus dem Nichts... (Muhammad Schams ad Din Hafis)

Jetzt, da die Rose aus dem Nichts

    ins Dasein tritt, zum Schmuck der Auen,

In Demut kaum das Veilchen wagt

    zur Herrlichen emporzuschauen –

Sollst Du am Morgenwein Dich freun

    bei Paukenschall und Harfenklange,

Bei Flötenhauch und Feuerkuß

    an junger Schönheit Dich erbauen.

Genieß des Lebens Rosenzeit

    bei Spiel und Sang, im Glück der Liebe.

Nicht über eine Woche Frist

    kannst Du der Herrlichen vertrauen!

Von Blumen glänzt die Erde nun,

    gleichwie der Himmel glänzt von Sternen,

Drum kann ich gute Zeiten nur

    auf Erden wie am Himmel schauen.

Laßt uns im Land den Feuerdienst

    erneu'n des alten Zoroaster,

jetzt, da das Feuer Nimrods selbst

    aus Tulpen schlägt in allen Gauen.

Trink Wein, kredenzt von schöner Hand,

    der neu belebt wie Jesu Odem,

Denk nicht an Ad und an Thamud,

    die Gott verstieß in ewiges Grauen.

Durch Lilienglanz und Rosenglut

    ward nun die Welt zum Paradiese,

Doch über solcher Herrlichkeit

    nie lange will der Himmel blauen.

Die Rose reitet auf dem Wind

    wie weiland Salomo, der König,

Und – gleichwie David – Psalmen singt

    die Nachtigall, voll Gottvertrauen.

Leer den Pokal auf Mahmuds Wohl,

    des wahren Glaubens starke Säule,

Den neuen Assaf Salomos –

    nie zucke Gram um seine Brauen.

Bringt Wein her! Hafis, hoff auf Den,

    der stets Erbarmen dir erwiesen,

Und voll Erbarmen immerdar

    wird Segen auf dich niederschauen.

(Übersetzung: Friedrich Bodenstedt)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-009420-8
Erschienen im Buch "Gedichte aus dem Diwan"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.