Muhammad Schams ad Din Hafis

Gestern zechend, traumverloren... (Muhammad Schams ad Din Hafis)

Gestern zechend, traumverloren,

    hörte ich es pochen leis:

Klopfend an der Schenke Toren

    standen – Engel still im Kreis.

Unsers Vaters Adam Asche

    taten sie in den Pokal,

Ihr vermählend aus der Flasche

    edlen Weines Purpurstrahl.

Huldvoll bot der gotterkornen

    lichten Welten sel'ge Schar

Mir, dem niedern Staubgebornen,

    den gefüllten Becher dar.

Fassen können Himmelshallen

    nicht der Liebe Herrlichkeit,

Und mir ist das Los gefallen,

    das mich ihrem Dienst geweiht!

Auf die Kunde von dem Bunde

    mit der Gnadensonne Glanz

Schlingen jubelnd in der Runde

    Huris den berauschten Tanz.

Soll im Leben nie berühren

    eitles Streben diese Brust,

Während Adam hie verführen

    konnte eines Apfels Lust?

Zweiundsiebzig Glaubenslehren

    klauben Worte leer und tot;

Ihnen tagt, sie zu bekehren,

    nie der Wahrheit Morgenrot.

Bräuten in der Locken Ranken,

    denen Schleier, leicht und licht,

Halb nur hüllen den Gedanken,

    gleicht, o Hafis, dein Gedicht.

(Übersetzung: G. Jacob)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-009420-8
Erschienen im Buch "Gedichte aus dem Diwan"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.