Martin Opitz

Auff Herrn David Müllers Seeligen Abschied (Martin Opitz)

         

    VNd bist du auch verblichen /

Mein mehr denn halbes Ich?

Bist du mir auch entwichen

Auff den mein Hertze sich

In allem so verlassen /

Daß ich ohn Furcht vnd Schew

Das Wetter herrschen lassen

In ansehn deiner Trew?

    Was jederman muß sehen /

Vnd doch nicht reden sol /

Was ist vnd wird geschehen /

Vervrsacht daß man wol

Von guter Zeit vnd Wesen

Jhm schlechte Rechnung macht:

Doch deinen Tod zu lesen

Hett' ich jetzt nie gedacht.

    Wo sind Herr Müllers Schreiben?

Fieng ich als Gestern an.

Wo solten sie verbleiben?

Mir ward nur kund gethan

In allen welche kamen

Der sey nun nicht mehr dar

Der mir ein Freund mit Namen /

Mit That ein Bruder war.

    Das Glück vnd keine Gaben /

Macht mich an Freunden reich

Die hoch sind vnd mehr haben:

An Trew sind wenig gleich.

O Fraw! O Kinder! weynet

Jhr nicht allein vmb jhn:

Den er gewiß gemeynet

Weiß ich daß ich es bin.

    Mir ist zu Ohren kommen

Wie sehr er meiner sich

Bißher hat angenommen /

Viel mehr als eben ich:

Darauß ich auch gespühret

Deß Hertzens Redligkeit:

Gold wird durch Glut probiret /

Die Freundschafft durch die Zeit.

    Jhr Mangel meiner Jugend /

Was meine Lust beginnt /

Jhr Bücher / meine Tugend /

Wo Bücher Tugend sind /

Wer wird euch nun verlegen

So fleissig als wie er?

Wer wird euch jetzund pregen

Zu gehn durch Land vnd Meer?

    Es wolte mir gehören,

Zu dencken auff ein Lied

Zu seines Schwehers Ehren /

Der Selig nechst verschied.

Er hat es auch begehret /

Vnd meinen Fleiß vermahnt;

Jtzt wird es jhm gewehret:

Das mir wol nicht geahnt.

    Er schrieb / viel zu ergetzen /

Zu thun was GOTT behagt /

Mocht' ich die Psalmen setzen

So wie ich zugesagt.

Ich wil es ja vollbringen /

Als freylich mir gehört:

Doch er kan besser singen

Worvon der König lehrt.

    Er stimpt zu allen Zeiten

Mit tausend Engeln ein /

Hört jhre schöne Seiten /

Vnd lobet den allein

Der nicht gelobt wil werden

Von dem in jener Welt /

Der jhm nicht singt auff Erden

Was seiner Macht gefellt.

    Mein Freund auch in dem Grabe

(Dann Liebe stirbet nicht)

Was schenck' ich dir für Gabe /

Dieweil dir nichts gebricht?

Gefellt dir Leyd vnd Schmertzen?

Die sind genugsamb hier.

Ein theil von meinem Hertzen?

Das hast du schon mit dir.

    Du hofftest mich zu sehen /

Vnd batest jederzeit:

Hier wird es nie geschehen;

Wil GOtt / ich bin nicht weit.

Doch sol ich ferner leben

(Den Tod rufft keiner nicht)

So wil ich dich erheben

Auß steter Liebespflicht.

    Jtzt kan ich nichts beginnen /

Mein Trawren macht mich schwach /

Das Leyd bezwingt die Sinnen /

Es leßt der Thränen Bach

Mein Tichten nicht bekleiben /

Weil sie die Reyme wäscht /

Vnd was ich gleich wil schreiben

Mir auß der Tafel lescht.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-000361-X
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.