Josef Freiherr von Eichendorff

Letzte Heimkehr (Josef Freiherr von Eichendorff)

Letzte Heimkehr

Joseph von Eichendorff

Der Wintermorgen glänzt so klar,

Ein Wandrer kommt von ferne,

Ihn schüttelt Frost, es starrt sein Haar,

Ihm log die schöne Ferne,

Nun endlich will er rasten hier,

Er klopft an seines Vaters Tür.

Doch tot sind, die sonst aufgetan,

Verwandelt Hof und Habe,

Und fremde Leute sehn ihn an,

Als käm er aus dem Grabe;

Ihn schauert tief im Herzensgrund,

Ins Feld eilt er zur selben Stund.

Da sang kein Vöglein weit und breit,

Er lehnt' an einem Baume,

Der schöne Garten lag verschneit,

Es war ihm wie im Traume,

Und wie die Morgenglocke klingt,

Im stillen Feld er niedersinkt.

Und als er aufsteht vom Gebet,

Nicht weiß, wohin sich wenden,

Ein schöner Jüngling bei ihm steht,

Faßt mild ihn bei den Händen:

»Komm mit, sollst ruhn nach kurzem Gang.« -

Er folgt, ihn rührt der Stimme Klang.

Nun durch die Bergeseinsamkeit

Sie wie zum Himmel steigen,

Kein Glockenklang mehr reicht so weit,

Sie sehn im öden Schweigen

Die Länder hinter sich verblühn,

Schon Sterne durch die Wipfel glühn.

Der Führer jetzt die Fackel sacht

Erhebt und schweigend schreitet,

Bei ihrem Schein die stille Nacht

Gleichwie ein Dom sich weitet,

Wo unsichtbare Hände baun -

Den Wandrer faßt ein heimlich Graun.

Er sprach: Was bringt der Wind herauf

So fremden Laut getragen,

Als hört ich ferner Ströme Lauf,

Dazwischen Glocken schlagen?

»Das ist des Nachtgesanges Wehn,

Sie loben Gott in stillen Höhn.«

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-423-02382-1
Erschienen im Buch "Eichendorff, Werke in einem Band"
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG