Johann Wolfgang von Goethe

Christel (Johann Wolfgang von Goethe)

       

Hab oft einen dumpfen düstern Sinn,

Ein gar so schweres Blut!

Wenn ich bei meiner Christel bin,

Ist alles wieder gut.

Ich seh sie dort, ich seh sie hier

Und weiß nicht auf der Welt,

Und wie und wo und wann sie mir,

Warum sie mir gefällt.

Das schwarze Schelmenaug dadrein,

Die schwarze Braue drauf,

Seh ich ein einzigmal hinein,

Die Seele geht mir auf.

Ist eine, die so lieben Mund,

Liebrunde Wänglein hat?

Ach, und es ist noch etwas rund,

Da sieht kein Aug sich satt!

Und wenn ich sie denn fassen darf

Im luftgen deutschen Tanz,

Das geht herum, das geht so scharf,

Da fühl ich mich so ganz!

Und wenns ihr taumlig wird und warm,

Da wieg ich sie sogleich

An meiner Brust, in meinem Arm;

's ist mir ein Königreich!

Da möcht ich mehr und immer mehr,

Der Tag wird mir nicht lang;

Wenn ich die Nacht auch bei ihr wär,

Davor wär mir nicht bang.

Ich denk, ich halte sie einmal

Und büße meine Lust;

Und endigt sich nicht meine Qual,

Sterb ich an ihrer Brust.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Gesammelte Werke in sieben Bänden"
Herausgeber: Bertelsmann Lesering