Johann Heinrich Voss

Die Leibeigenschaft (Johann Heinrich Voss)

Erste Idylle

Die Pferdeknechte

Michel

             

Pfingsten wird klar. Ohne Hof ist der Mond, und hängt wie ein Kahn

da1).

Ehmals pflegt' ich mich wohl am heiligen Abend zu freuen;

Aber nun schallt mir das

Festgebeier2) wie

Totengeläute!

 

Hans

Michel, nicht so verzagt! Sieh, alles holt sich auf morgen

Kalmus3) und Blumen

und Mai! Man ruht doch einmal vom Frondienst!

Laß uns ein wenig singen! Es klingt so prächtig des Abends!

Und die Pferde sind gut

getüdert4), und

Lustig ist wachsam.

Ringsum duften die Maien, und lieblich röcheln die Frösche,

Und die Nachtigall schlägt dazwischen (wie sagst du noch, Michel?)

Wie durch den Salm5)

der ganzen Gemeine die Stimme Lenorens.

Weißt du: Schon locket der

Mai6)? Das ist dir

ein kostbares Stückchen!

Sonntag lernt' ich's von unserm Küster, (er hatt' es auf Noten!).

Als ich den bunten Kapaun mit jungen Enten ihm brachte.

Soll ich? Du brummst den Baß, oder pfeifst dazu auf dem Maiblatt.

 

Michel

Siehst du dort bei dem Mühlenteich was Weißes im Mondschein?

Dort! Und kennst du sie, Hans, die dort vergeblich ihr Brauthemd,

Ach vergeblich jetzt bleicht? und nötigst mich dennoch zum Singen?

 

Hans

Wohl! Lenore bewacht in der ströhernen Hütte die Leinwand!

Eben hört' ich ihren Gesang durch das Mühlengeklapper.

Aber was sagst du, Michel? Sie bleicht vergeblich ihr Brauthemd?

Schenkt euch nicht unser Herr bei dem Ährenkranze die Hochzeit?

 

Michel

Je! Such Treu und Glauben bei Edelleuten! Betrieger!

Schelme sind...

 

Hans

                          Pst! Ihm

könnt' es sein kleiner Finger erzählen!

 

Michel

Laß ihn erzählen, was wahr ist! Verspricht der Kerl mir die

Hochzeit7),

Und die Freiheit dazu, für hundert Taler! Mein Alter,

Mit dem kahlen wackelnden Kopf, und mein krüpplicher Bruder,

Den der Kerl an die Preußen verkauft, und den die Kalmucken,

Tatern und Menschenfresser im Kriege zuschanden gehauen,

Scharren alles zuhauf, Schaumünzen mit biblischen Sprüchen.

Blanke Rubel, und schimmliche Drittel, und

Speziestaler8);

Und verkaufen dazu den braunen Hengst mit der Blässe,

Und den bläulichen Stier, auf dem Frühlingsmarkte, für Spottgeld.

Michel, sagen sie, nimm das bißchen Armut, den letzten

Not- und Ehrenschilling, und bring's dem hungrigen Junker!

Besser, arm und frei, als ein Sklave bei Kisten und Kasten!

Wasser und trocknes Brot schmeckt Freien, wie Braten und Märzbier!

Weinend bring ich's dem Kerl; er zählt es: Michel, die Hochzeit

Will ich euch schenken; allein... mit der Freiheit... Hier zuckt er die Achseln.

 

Hans

Plagt den Kerl der Teufel? Was schützt denn der gnädige Herr vor?

 

Michel

Hans, der Hund, den man hängen will, hat Leder gefressen.

Sieh, da hab ich sein Gras ihm abgewendet, zu flache

Furchen gepflügt, sein Korn halb ausgedroschen, und Gott weiß.

Kurz, die Rechnung ist höher, als hundert Taler. Ich dürfte,

Munkelt' er noch, nur geruhig sein; er hätte Vermutung,

Wer ihm neulich vom Speicher den Malter Rocken gestohlen.

 

Hans

Michel, hättst du das erste getan, so wär es kein Wunder.

Welche Treue verlangt der Junker von dem, der beständig

Unter dem Prügel des Vogts mit Schand, und Hunger und Not ringt?

Doch für das letzte verklag ihn bei unserm gnädigsten Landsherrn;

Denn ich will's dir bezeugen, Johann der Lakai hat den Rocken

Mit Erlaubnis der gnädigen Frau vom Speicher gestohlen!

 

Michel

Hans! das Nachtmahl nehm ich darauf! ich bin ganz unschuldig!

Seit der leidigen Hoffnung, hab ich nicht Bäume geimpfet?

Nicht gezäunt? nicht die Hütte geflickt? nicht Graben geleitet?...

Aber verklagen! Durch

wen9)? Wo ist Geld?

Und erfährt es der Herzog?

Und die Minister, Hans? die Minister? Man weiß wohl, ein Rabe

Hackt dem andern die Augen nicht aus!... Ja, sing nur, Lenore!

Sing und spring auf der Wiese herum, du freie Lenore!

Frei soll dein Bräutigam sein! Er ist's! Bald tanzen wir beide

Unsern Hochzeitsreigen, im langen jauchzenden Zuge,

Über Hügel und Tal... nach dem Takt, den der Prügel des Vogts schlägt!...

Aber du weinst? Um den Jungfernkranz, den die Dirnen dir rauben?

Trockne die Tränen! Du wirst ja ein freies glückliches Ehweib,

Bald die glückliche Mutter von freien Söhnen und Töchtern!...

Hans! mich soll dieser und jener! Ich lasse dem adligen Räuber

Über sein Dach einen roten Hahn

hinfliegen10), und

zäume

Mir den hurtigsten Klepper im Stall, und jage nach Hamburg!

 

Hans

Aber, Michel, die Kinder!

 

Michel

                           

                Die Wolfsbrut? Fällt denn der Apfel

Weit vom Stamm? Und heult sie nicht schon mit den Alten, die Wolfsbrut?

Ging in den Tannen nicht gestern der Herr Hofmeister, und weinte?

 

Hans

Aber es heißt: Die Rach ist mein, und ich will vergelten,

Spricht der Herr! Und dann, dein armer Vater und Bruder!

 

Michel

Herrlicher Spruch: Die Rach ist mein, und ich will vergelten!

Ha! das erquickt! Ja, ich will geduldig leiden und hoffen!

 

Hans

Michel, du sprachst doch vom Tanz. Ich will dir ein Märchen erzählen.

Kennst du die wüste Burg? Mein seliger Oheim, der Jäger,

Lau'rt da im Mondschein einst auf den Fuchs, in den

Zwölften11).

Mit einmal

Braust, wie ein Donnerwetter, das wütende Heer aus der

Heide12).

Hurra! rufen die Jäger, die Pferde schnauben, die Peitschen

Knallen, das Hifthorn tönt, und gewaltige feurige Hunde

Bellen hinter dem Hirsch, und jagen ihn grad in das Burgtor.

Oheim hält's für die fürstliche Jagd, ob sein Tiras gleich winselt,

Denk mal, und geht (wie er denn zeitlebens ein herzhafter Kerl war!)

Ihnen nach in die Burg. Nun denk, wie der Satan sein Spiel hat!

Jäger und Pferd' und Hunde sind Edelleute, mit Manteln,

Langen Bärten, und eisernen Kleidern, und großen Perücken;

Wie die Schlaraffengesichter im Spiegelsaale des Junkers.

Weiber mit hohen

Fontanschen13) und

Bügelröcken und

Schlentern14)

Fodern sie auf zum Tanz. Da rasseln dir glühende Ketten!

Statt der Musik erschallt aus den Wänden ein Heulen und Winseln.

Drauf wird die Tafel gedeckt. Ganz oben setzt sich der Stammherr

Vom hochadligen Haus, ein Straßenräuber. Sein Beinkleid,

Wams und

Bienenkapp15) ist

glühendes Eisen. Sie fressen

Blutiges Menschenfleisch, und trinken siedende Tränen.

Unsers Junkers Papa kriegt meinen Oheim zu sehen,

Nimmt den Becher voll Tränen, und bringt ihn: Da trink er eins, Jochen!

Jochen will nicht; er muß. Nun soll ich denn trinken, so trink ich,

Sagt er, in Gottes Namen! Und knall! war alles verschwunden.

 

Michel

Bald ist der Kerl dabei! Dann schallen ihm unsre Seufzer

Statt der Musik, dann brennen ihm unsre Tränen die Seele!

 

Hans

Hu! wie wird er dann springen! Wie wird sein Weib, das Gerippe!

Auf französisch dann fluchen, wenn keine Zofe die Ketten

Ihr nach der Mode mehr hängt! Da wird sich der Satan ergötzen!...

Michel, hast du Tobak? Die Mücken stechen gewaltig!...

Lustig, die Pferd'! Euch soll, wo ihr dem Junker ins Korn geht!

Blitz! er prügelt' uns krumm und lahm! He! Lustig, die Pferde!

 

Zweite Idylle

Der Ährenkranz

Henning

           

Heda! du weiße Gestalt! Wer kommt durch die Haseln gerasselt?

Alle guten Geister...

 

Sabine

                           

      Ich bin ein höllischer Geist! Bu!

 

Henning

Aber du gehst, wie ein Engel des Lichts!

 

Sabine

                           

                           

          Ich kann mich verstellen!

 

Henning

Höllischer Geist, was willst du?

 

Sabine

                           

                        Dich holen!

 

Henning

                           

                           

                  So komm denn, und hol mich!...

Dirne! du lieber Teufel! wie beißest du mir in die Lippen!

 

Sabine

Singst du Schelm hier allein, und sagst mir kein einziges Wörtchen?

Wart nur, führ ich dir erst, als gebietende Frau, den Pantoffel!

 

Henning

Was den Pantoffel betrifft, wird morgen der Priester erläutern.

Aber wie fandst du mich?

 

Sabine

                           

              Ich geh da einsam im Garten

Und begieße den Rosmarin und die Myrte zum Brautkranz,

Seufz auch ein Stoßgebetlein um himmlischen Segen, und schlendre

Auf und ab, und seh nach der Tür: Ach! sollt' er wohl kommen?

Doch wer nicht kam, war Henning. Da hör ich am Teiche was klimpern:

Ah! das ist Henning, der singt! Wie der Blitz war ich über den Zaun hin,

Renne durch Disteln und Hecken zum Teich. O fühl, wie mein Herz klopft!

 

Henning

Liebes, süßes Sabinchen!

 

Sabine

                           

                Ja! liebes, süßes Sabinchen!

Und du läßt mich allein!... Weg, Henning! Kein Kuß! Ich bin böse!

 

Henning

Närrchen, die Hand von dem Mund! Ich will dir Rechenschaft geben.

Seit der Baron uns die Freiheit

geschenkt16), singt

alles im Dorfe;

Aber alles im Dorf, ob ich's schon nicht glaube, behauptet,

Ich sei der beste Sänger, und spiel am besten die Zither.

Morgen sind's dreizehn Jahr, als nach der gesegneten Ernte,

Unter dem Klockengeläut und dem Schall der Trompeten und Pauken,

Uns der Baron freigab; und als Braut und Bräutigam, weißt du,

Müssen wir beid im Zug mit dem Ährenkranze vorangehn. ...

Dirne! wir waren noch Kinder, und kannten nicht Knechtschaft noch Freiheit!

Aber du hörtest heut die kräftige Predigt, wie alles,

Alt und jung laut weint', und der Priester nicht reden konnte,

Und wir die Hand uns drückten...

 

Sabine

                           

                          Du

weinst? Schweig, Henning! Ich weiß schon!

Henning, der beste Sänger und bravste Bengel im Dorfe,

Hat ein Lied auf die Freiheit gemacht, um es morgen zu singen!

Nicht so? und schlich sich allein, um hübsch beweglich zu singen!

Schelmchen, küß mich dafür! Er verdient's, der liebe Baron der!

 

Henning

Freilich! und mehr, als du glaubst, verdient's der liebe Baron der!

Vater, dessen Wirtschaft dies Jahr am besten bestellt

war17),

Aß, wie gewöhnlich, heut bei der gnädigen Herrschaft zu Mittag.

Über der Mahlzeit sagt zu dem jüngsten Fräulein Amalchen

Heimlich dein kleiner Husar Adölfchen: Ach! morgen ist Urlaub!

Wer bringt morgen den Kranz? – Mein schönes Sabinchen und Henning! –

Ei! das ist schön! Heiraten sich die? – Heiraten? was ist das? –

Ei! dann tanzen sie erst, und schlafen dann beide beisammen!

Hast du das nie bei den Puppen gesehn? – Ja, getanzt wird morgen!

Auf der Wiese! da essen wir auch! Papa und Mama auch!

Schnell winkt ihm die Baronin, als zürnte sie: Junge, was schnackst du? –

Ja! ich weiß, was ich schnacke! Papa hat es selber gesagt wohl!

Wenn das Wetter so bleibt, kommt morgen der Onkel und Tante!

Dann wird draußen gespeist! Dann tanzen wir alle zusammen!

Ulrich, Johann und der Gärtner, die fiedeln uns auf! Und die Jäger

Albert und Heinrich, die stehn in den Buchen, und blasen das Waldhorn!

Nicht, Papa? Es ist auch mein schönes Sabinchen und Henning!

Lächelnd schilt der Baron den kleinen Schwätzer, und bittet

Meinen Vater, uns beiden doch nicht die Lust zu verderben.

Aber der alte Mann hat kaum zu Hause den Krückstock

Hinter den Ofen gestellt, so kann er sich länger nicht halten,

Weint wie ein Kind vor Freud, und erzählt mir die ganze Geschichte.

 

Sabine

O der vortreffliche Herr! Mir kommen selber die Tränen

In die Augen! Nun Gott wird unser Gebet ja erhören!

Sing mir doch, lieber Henning, o sing mir dein Lied von der Freiheit!

Aber wo bleibt der Kuß? Du denkst an den lieben Baron nur!

 

Henning

Mädchen!... Nun nimm auch die Hand von der Schulter! Sonst kann ich nicht singen!

Jede Hälfte vom Vers wiederholt ihr andern, und schlagt dann

Sens und Harke dazu. Ich will's mit der Zither bemerken.

 

       

Wir bringen mit Gesang und Tanz

Dir diesen blanken Ährenkranz,

    Wir Bräutigam und Braut!

Die Fiedel und Hoboe schallt!

Die Klocken gehn! und jung und alt

    Springt hoch, und jauchzet laut!

Die Freiheit schenkt uns solchen Mut!

Die Dirn ist frisch, wie Milch und Blut,

    Gerad und schlank wie Rohr!

Ihr Schnitter prahlt mit ihrem Strauß,

Und sieht so braun und

bräsig18)

aus,

    Den Hut auf einem Ohr!

Der du zur Freiheit uns erhobst,

Komm her, und schau! Dort glüht das Obst,

    Das seinen Baum beschwert!

Dort brüllen Rinder ohne Zahl!

Dort blöcken Schafe durch das Tal!

    Dort stampft im Klee das Pferd!

Und ob's der Sens an Korn gebrach,

Da frag die vollen Scheuren nach,

    Bis an den Giebel voll!

Die Flegel klappern sonder Rast,

Der Städter holet Last auf Last;

    Sie sind und bleiben voll!

Und, zeug uns!

hungerharkten19)

wir?

Fand nicht genung zu lesen hier

    Der Wais und Witwe Hand?

Die hungerharken, die das Joch

Des Frones drückt, und harken doch

    Meist Hedrich, Tresp und

Brand20)!

Im blauen

Tremsenkranz21)

juchhein,

Zu Weidenflöten und Schalmein,

    Die Kinder, rund und rot;

Und schenken froh dem bleichen Mann,

Des Sklavendorfes Untertan,

    Ihr kleines Vesperbrot!

Wir ackern tief, und dröschen aus,

Und bessern Feld und Wies und Haus;

    Kein Schweiß ist uns zu teu'r!

Kein harter Vogt steht hinter uns!

Ein Wink vom lieben Herrn; wir tun's!

    Und liefen durch das Feu'r!

Des Sonntags auf der Kegelbahn

Setzt alles auf dein Wohlsein an,

    Und schlürft den letzten Tropf:

Laßt leben unsern Vater hoch!

Zerbrochen ist des Frones Joch!

    Die Gläser übern Kopf!

Am Sommerabend singen wir,

Wir Bursch und Jungfern, vor der Tür,

    Zur Fiedel und Schalmei:

Es lebe unser Vater hoch!

Er nahm von uns des Frones Joch!

    Juchheissa! wir sind frei!

Wir bringen mit Gesang und Tanz

Dir, Vater, diesen Ährenkranz,

    Wir Bräutigam und Braut!

Denk stets dabei an unsern Fleiß,

An unsre Lieb, und dessen Preis,

    Der segnend auf uns schaut!

Er hängt! er hängt! der blanke Kranz!

Beginnt, ihr Schnitter, Reihentanz,

    Und schreit mit frischem Mut:

Es lebe unser Vater hoch!

Und seine Frau und Kinder hoch!

    Juchheissa! schwingt den Hut!

 

Man hält es für eine Vorbedeutung vom klaren Wetter, wenn die beiden

Hörner des Monds fast horizontal liegen.

 

Das Beiern geschieht, wenn die Klocken nicht, wie beim Läuten, gezogen,

sondern nur mit den Klöppeln angeschlagen werden. Man kündigt so auf dem Lande die

Feiertage den Abend vorher an.

 

Mit Kalmuskraut streut man Pfingsten die Häuser und Kirchen aus

 

Tüder heißt der Strick, mit dem man das Vieh auf der Weide an einen

eingeschlagenen Pfahl bindet.

 

Salm, aus Psalm, Kirchengesang.

 

Millers Baurenlied im 1774er Musenalmanach, von

C. P. E. Bach in Musik gesetzt.

 

Ohne Erlaubnis des Herrn darf kein Leibeigener heiraten.

 

Es ist bekannt, daß der Leibeigene seinen vom Vater und Großvater

her zusammengesparten Notpfennig (peculium), aus Furcht vor dem Fronherrn, selten belegt, sondern

heimlich verbirgt.

 

In etlichen Ländern nimmt die Regierung keine Klage an, die nicht von einem

Advokaten entweder abgefaßt oder unterschrieben ist.

 

Eine sprichwörtliche Drohung, das Haus anzuzünden.

 

In den zwölf Tagen zwischen Weihnachten und Heiligen Drei Könige

genießen die Kobolde, Werwölfe, wilden Jäger und andre Spuke, besonderer Freiheiten.

 

Heide heißt an etlichen Orten eine große Waldung.

 

Fontansche, ein altfranzösisches Kopfzeug.

 

Schlenter, ein nachschleppendes Kleid.

 

Ein Heraldiker würde hier Harnisch, Panzer und Helm gesagt haben.

 

Der Graf Hans Rantzau auf Aschberg, der unter den holsteinischen Gutsherrn

zuerst (denn das Versprechen eines von seinem Gewissen beunruhigten, katholisch gewordenen

Hexenverbrenners vor hundert Jahren blieb unkräftig) im Jahr 1739 seinen Leibeigenen

Freiheit und Eigentum zu geben anfing, meldete nach 27 Jahren in einer kleinen Schrift

(Antwort eines alten Patrioten, wie der Baurenstand zu verbessern sei, Plön 1766)

den Erfolg seines menschenfreundlichen Versuchs: »Die Bevölkerung werde unglaublich

befördert; die Menschen werden klüger, fleißiger, vermögender und sittlicher,

die Kinder werden besser erzogen; die Felder und Wiesen werden auf eine erstaunende Weise

verbessert, neue Wohnungen und Scheuren gebaut, und jeder habe bei seinem Hause eine

beträchtliche Pflanzung von hartem und weichem Holz.« Seines Bruders Enkel Christian, der

1794 den Plan völlig ausführte, berichtet in den Aktenstücken S. 12: »Im

Jahr 1760 befanden sich nur 200 Menschen dort, und 28 Jahre später zählte

man 1050 Köpfe.« Wieviel wohl mochten vor 1739 sein, da die Verbesserung anfing?

Ohne die beiden Edlen lebten jetzt 900 Menschen weniger, auf einem Gute!

 

Man bemerkt (sagt Hans Rantzau von seinen Pachtbauren) eine fast

bürgerliche Lebensart, und Wetteifer in Ordnung und Reinlichkeit des Hauswesens, in

Verbesserung des Ackerbaus, des Wiesewachses, der Viehzucht. Alle Jahre zwischen Pfingsten und

Johannis wird eine genaue Besichtigung der neuen Kolonien vorgenommen, und der am besten befundene

Haushalter, wie in den Gilden zu geschehen pflegt, zum Wirtschaftskönige ernannt, an des Herrn

Tafel gezogen, und mit einer Prämie von 20 Talern beschenkt.

 

Bräsig, oder brösig (denn es ist der Umlaut von dem dunkeln a,)

martialisch.

 

Hungerharken, mit einer großen Harke (Rechen) die liegengebliebenen

Ähren sammlen.

 

Hedrich ist eine Art Mißkorn in der Gerste, Trespe im Rocken, und Brand

im Weizen.

 

Tremsen, Cyanen, blaue Kornblumen.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-002332-7
Erschienen im Buch "Idyllen und Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.