Heinrich Seidel

Frühlingsstille (Heinrich Seidel)

Frühlingsstille

Die Abendröthe, sanft entglommen,

Scheint durch der Zweige leichtes Grün.

Noch ist die Stunde nicht gekommen,

Doch ist sie nah: Bald soll es blühn!

Und wie in Ahnung still versunken

Des Glückes, das sich nieder neigt,

Von jungen Säften vollgetrunken,

Ruht alles - knospet nur und schweigt.

Das ist die Stille, draus gewaltig

Der Frühlingsjubel schwellen soll,

Die Fülle ist's, die vielgestaltig

In Blüthen überquellen soll.

Noch weisst du kaum, was still und mächtig

Durch deine Seele knospend geht,

Bis dass auch sie einst wunderprächtig

In gluthenvoller Blüthe steht.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Glockenspiel - Gesammelte Gedichte, Band VII der Gesammelten Sch"
Herausgeber: A.G. Liebeskind