Gottfried Keller

Die öffentlichen Verleumder (Gottfried Keller)

Ein Ungeziefer ruht

In Staub und trocknem Schlamme

Verborgen, wie die Flamme

In leichter Asche tut.

Ein Regen, Windeshauch

Erweckt das schlimme Leben,

Und aus dem Nichts erheben

Sich Seuchen, Glut und Rauch.

Aus dunkler Höhle fährt

Ein Schächer, um zu schweifen;

Nach Beuteln möcht' er greifen

Und findet bessern Wert:

Er findet einen Streit

Um nichts, ein irres Wissen,

Ein Banner, das zerrissen,

Ein Volk in Blödigkeit.

Er findet, wo er geht,

Die Leere dürft'ger Zeiten,

Da kann er schamlos schreiten,

Nun wird er ein Prophet;

Auf einen Kehricht stellt

Er seine Schelmenfüsse

Und zischelt seine Grüsse

In die verblüffte Welt

Gehüllt in Niedertracht

Gleichwie in einer Wolke.

Ein Lügner vor dem Volke,

Ragt bald er gross an Macht

Mit seiner Helfer Zahl,

Die hoch und niedrig stehend,

Gelegenheit erspähend,

Sich bieten seiner Wahl.

Sie teilen aus sein Wort,

Wie einst die Gottesboten

Getan mit den fünf Broten,

Das klecket fort und fort!

Erst log allein der Hund,

Nun lügen ihrer tausend;

Und wie ein Sturm erbrausend,

So wuchert jetzt sein Pfund.

Wenn einstmals diese Not

Lang wie ein Eis gebrochen,

Dann wird davon gesprochen,

Wie von dem schwarzen Tod;

Und einen Strohmann baun

Die Kinder auf der Heide,

Zu brennen Lust aus Leide

Und Licht aus altem Graun.