Georg Trakl

Die Verfluchten (Georg Trakl)

1

Es dämmert. Zum Brunnen gehn die alten Fraun.

Im Dunkel der Kastanien lacht ein Rot.

Aus einem Laden rinnt ein Duft von Brot

Und Sonnenblumen sinken übern Zaun.

Am Fluß die Schenke tönt noch lau und leis.

Guitarre summt; ein Klimperklang von Geld.

Ein Heiligenschein auf jene Kleine fällt,

Die vor der Glastür wartet sanft und weiß.

O! blauer Glanz, den sie in Scheiben weckt,

Umrahmt von Dornen, schwarz und starrverzückt.

Ein krummer Schreiber lächelt wie verrückt

Ins Wasser, das ein wilder Aufruhr schreckt.

2

Am Abend säumt die Pest ihr blau Gewand

Und leise schließt die Tür ein finstrer Gast.

Durchs Fenster sinkt des Ahorns schwarze Last;

Ein Knabe legt die Stirn in ihre Hand.

Oft sinken ihre Lider bös und schwer.

Des Kindes Hände rinnen durch ihr Haar

Und seine Tränen stürzen heiß und klar

In ihre Augenhöhlen schwarz und leer.

Ein Nest von scharlachfarbnen Schlangen bäumt

Sich träg in ihrem aufgewühlten Schoß.

Die Arme lassen ein Erstorbenes los,

Das eines Teppichs Traurigkeit umsäumt.

3

Ins braune Gärtchen tönt ein Glockenspiel.

Im Dunkel der Kastanien schwebt ein Blau,

Der süße Mantel einer fremden Frau.

Resedenduft; und glühendes Gefühl

Des Bösen. Die feuchte Stirn beugt kalt und bleich

Sich über Unrat, drin die Ratte wühlt,

Vom Scharlachglanz der Sterne lau umspült;

Im Garten fallen Äpfel dumpf und weich.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-458-32856-4
Erschienen im Buch "Georg Trakl - Die Dichtungen"
Herausgeber: Insel Verlag