Friedrich Gottlieb Klopstock

Mein Irrthum (Friedrich Gottlieb Klopstock)

(1793)

               

Lange hatt' ich auf sie, forschend geschaut,

Auf die redenden nicht; die Thäter! war,

Bey den Maalen der Geschichte

Wandelnd, den Franken gefolgt.

Die an Völkern du rächst, Königen rächst,

Priestern, die Menschheit, wie war's, Geschichte, voll

Von Gemählden, die der Gute,

Bleich vor Entsetzen erblickt.

Dennoch glaubt' ich, und ach Wonne war mir,

Morgenröthlicher Glanz der goldne Traum!

War ein Zauber, wie gehofter

Liebe, dem trunkenen Geist!

Freyheit, Mutter des Heils, daucht' es mich, du

Würdest Schöpferin seyn, die Glücklichen,

Die so ganz du dir erkohrest,

Umzuschaffen gesandt!

Bist du nicht Schöpferin mehr? oder sind sie

Nicht umschafbar, die du entfesseltest?

Ist ihr Herz Fels, und ihr Auge

Nacht zu sehn, wer du bist?

Deine Seel' ist Gesetz! Aber ihr Blick

Wird des Falken, ihr Herz wird Feuerstrom;

Ha er funkelt, und es glühet;

Wenn das Ungesetz winkt.

Dieses kennen sie, dich kennen sie nicht!

Das das lieben sie! Doch dein Name tönt.

Wenn die Guten das verruchte

Schwert trift: schallt es von dir!

Freyheit, Mutter des Heils, nanten sie dich

Nicht selbst da noch, als nun Erobrungskrieg,

Mit dem Bruche des gegebnen

Edlen Wortes, begann?

Ach des goldenen Traums Wonn' ist dahin,

Mich umschwebet nicht mehr sein Morgenglanz,

Und ein Kummer, wie verschmähter

Liebe, kümmert mein Herz.

Richter schändeten sich, sprachen es los

's Ungeheuer: sie sprach nicht los, und that,

Was mit Glut einst auf der Wange,

Thränen, der Enkel erzählt.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-001391-7
Erschienen im Buch "Oden"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.