Friedrich Gottlieb Klopstock

Die Sprache (Friedrich Gottlieb Klopstock)

An Karl Friedrich Cramer(1782)

       

Des Gedankens Zwilling, das Wort scheint Hall nur,

Der in die Luft hinfließt: heiliges Band

Des Sterblichen ist es, erhebt

Die Vernunft ihm, und das Herz ihm!

Und er weiß es; denn er erfand, durch Zeichen

Fest, wie den Fels, hinzuzaubern den Hall!

Da ruht er; doch kaum, daß der Blick

Sich ihm senket, so erwacht er.

Es erreicht die Farbe dich nicht, des Marmors

Feilbare Last, Göttin Sprache, dich nicht!

Nur weniges bilden sie uns:

Und es zeigt sich uns auf Einmal.

Dem Erfinder, welcher durch dich des Hörers

Seele bewegt, that die Schöpfung sich auf!

Wie Düften entschwebt, was er sagt,

Mit dem Reize der Erwartung,

Mit der Menschenstimme Gewalt, mit ihrem

Höheren Reiz, höchsten, wenn sie Gesang

Hinströmet, und inniger so

In die Seele sich ergießet.

Doch, Erfinder, täusche dich nicht! Für dich nur

Ist es gedacht, was zum Laute nicht wird,

Für dich nur; wie tief auch, wie hell,

Wie begeisternd du es dachtest.

Die Gespielen sind ihr zu lieb der Sprache;

Trenne sie nicht! Enge Fessel, geringt

An lemnischer Esse, vereint

Ihr den Wohlklang, und den Verstanz.

Harmonie zu sondern, die so einstimmet,

Meidet, wer weiß, welcher Zweck sie verband:

Die Trennungen zwingen zu viel

Des Gedachten zu verstummen.

Von dem Ausland, Deutsche, das Tanz des Liedes

Klagend entbehrt, lernet ganz, was es ist,

Dem viele von euch, wie Athen

Ihm auch horchte, noch so taub sind.

Und es schwebt doch kühn, und gewiß Teutona

Wendungen hin, die Hellänis so gar

Nicht alle, mit stolzem Gefühl

Des Gelingens, sich erköhre.

Sie entglühen lieblicher, als der Schwestern

Blühendster Busch, duften süßern Geruch;

Auch schmückt sie ihr mosig Gewand,

Und durchräuchert ihr Gedüfte.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-001391-7
Erschienen im Buch "Oden"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.