Friedrich Gottlieb Klopstock

Der Zürchersee (Friedrich Gottlieb Klopstock)

(1750)

       

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht

Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht,

Das den großen Gedanken

Deiner Schöpfung noch Einmal denkt.

Von des schimmernden Sees Traubengestaden her,

Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf,

Korn in röthendem Strale

Auf dem Flügel der Abendluft,

Korn, und lehre mein Lied jugendlich heiter seyn,

Süße Freude, wie du! gleich dem beseelteren

Schnellen Jauchzen des Jünglings,

Sanft, der fühlenden Fanny gleich.

Schon lag hinter uns weit Uto, an dessen Fuß

Zürch in ruhigem Thal freye Bewohner nährt;

Schon war manches Gebirge

Voll von Reben vorbeygeflohn.

Jetzt entwölkte sich fern silberner Alpen Höh,

Und der Jünglinge Herz schlug schon empfindender,

Schon verrieth es beredter

Sich der schönen Begleiterin.

»Hallers Doris«, die sang, selber des Liedes werth,

Hirzels Daphne, den Kleist innig wie Gleimen liebt;

Und wir Jünglinge sangen,

Und empfanden, wie Hagedorn.

Jetzo nahm uns die Au in die beschattenden

Kühlen Arme des Walds, welcher die Insel krönt;

Da, da kamest du, Freude!

Volles Maßes auf uns herab!

Göttin Freude, du selbst! dich, wir empfanden dich!

Ja, du warest es selbst, Schwester der Menschlichkeit,

Deiner Unschuld Gespielin,

Die sich über uns ganz ergoß!

Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch,

Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft

In der Jünglinge Herzen,

Und die Herzen der Mädchen gießt.

Ach du machst das Gefühl siegend, es steigt durch dich

Jede blühende Brust schöner, und bebender,

Lauter redet der Liebe

Nun entzauberter Mund durch dich!

Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen,

Beßre sanftere Lust, wenn er Gedanken winkt,

Im sokratischen Becher

Von der thauenden Ros' umkränzt;

Wenn er dringt bis ins Herz, und zu Entschließungen,

Die der Säufer verkennt, jeden Gedanken weckt,

Wenn er lehret verachten,

Was nicht würdig des Weisen ist.

Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton

In das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit

Ist ein großer Gedanke,

Ist des Schweisses der Edlen werth!

Durch der Lieder Gewalt, bey der Urenkelin

Sohn und Tochter noch seyn; mit der Entzückung Ton

Oft beym Namen genennet,

Oft gerufen vom Grabe her,

Dann ihr sanfteres Herz bilden, und, Liebe, dich,

Fromme Tugend, dich auch gießen ins sanfte Herz,

Ist, beym Himmel! nicht wenig!

Ist des Schweisses der Edlen werth!

Aber süßer ist noch, schöner und reizender,

In dem Arme des Freunds wissen ein Freund zu seyn!

So das Leben genießen,

Nicht unwürdig der Ewigkeit!

Treuer Zärtlichkeit voll, in den Umschattungen,

In den Lüften des Walds, und mit gesenktem Blick

Auf die silberne Welle,

That ich schweigend den frommen Wunsch:

O so bauten wir hier Hütten der Freundschaft uns!

Ewig wohnten wir hier, ewig! Der Schattenwald

Wandelt' uns sich in Tempe,

Jenes Thal in Elysium!

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-001391-7
Erschienen im Buch "Oden"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.