Friedrich Schiller

Die Weltweisen (Friedrich Schiller)

         

    Der Satz, durch welchen alles Ding

Bestand und Form empfangen,

Der Nagel, woran Zeus den Ring

Der Welt, die sonst in Scherben ging,

Vorsichtig aufgehangen,

Den nenn' ich einen großen Geist,

Der mir ergründet, wie er heißt,

Wenn ich ihm nicht drauf helfe -

Er heißt: Zehn ist nicht Zwölfe.

    Der Schnee macht kalt, das Feuer brennt,

Der Mensch geht auf zwei Füßen,

Die Sonne scheint am Firmament,

Das kann, wer auch nicht Logik kennt,

Durch seine Sinne wissen.

Doch wer Metaphysik studiert,

Der weiß, daß, wer verbrennt, nicht friert,

Weiß, daß das Nasse feuchtet

Und daß das Helle leuchtet.

    Homerus singt sein Hochgedicht,

Der Held besteht Gefahren;

Der brave Mann thut seine Pflicht

Und that sie, ich verhehl' es nicht,

Eh noch Weltweise waren.

Doch hat Genie und Herz vollbracht,

Was Lock' und Des Cartes nie gedacht,

Sogleich wird auch von diesen

Die Möglichkeit bewiesen.

    Im Leben gilt der Stärke Recht,

Dem Schwachen trotzt der Kühne,

Wer nicht gebieten kann, ist Knecht;

Sonst geht es ganz erträglich schlecht

Auf dieser Erdenbühne.

Doch wie es wäre, fing' der Plan

Der Welt nur erst von vornen an,

Ist in Moralsystemen

Ausführlich zu vernehmen.

    Doch weil, was ein Professor spricht,

Nicht gleich zu Allen dringet,

So übt Natur die Mutterpflicht

Und sorgt, daß nie die Kette bricht

Und daß der Reif nie springet.

Einstweilen, bis den Bau der Welt

Philosophie zusammenhält,

Erhält sie das Getriebe

Durch Hunger und durch Liebe.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Schillers Sämmtliche Werke, Erster Band"
Herausgeber: J. G. Cotta'sche Buchhandlung