Friedrich Nietzsche

Lied des Ziegenhirten (Friedrich Nietzsche)

(An meinen Nachbar Theokrit von Syrakusä.)

Da lieg ich, krank im Gedärm -

Mich fressen die Wanzen.

Und drüben noch Licht und Lärm:

Ich hör's, sie tanzen.

Sie wollte um diese Stund'

Zu mir sich schleichen:

Ich warte wie ein Hund -

Es kommt kein Zeichen!

Das Kreuz, als sie's versprach!

Wie konnte sie lügen?

Oder läuft sie jedem nach,

Wie meine Ziegen?

Woher ihr seidner Rock? -

Ah, meine Stolze?

Es wohnt noch mancher Bock

An diesem Holze?

Wie kraus und giftig macht

Verliebtes Warten!

So wächst bei schwüler Nacht

Giftpilz im Garten.

Die Liebe zehrt an mir

Gleich sieben Uebeln -

Nichts mag ich essen schier,

Lebt wohl, ihr Zwiebeln!