Friedrich Nietzsche

Im Süden (Friedrich Nietzsche)

So häng ich denn auf krummem Aste

und schaukle meine Müdigkeit.

Ein Vogel lud mich her zu Gaste,

ein Vogelnest ist's, drin ich raste.

Wo bin ich doch ? Ach, weit ! Ach weit !

Das weiße Meer liegt eingeschlafen,

und purpurn steht ein Segel drauf.

Fels, Feigenbäume, Turm und Hafen,

Idylle rings, Geblök von Schafen, -

Unschuld des Südens, nimm mich auf !

Nur Schritt für Schritt - das ist kein Leben,

stets Bein vor Bein macht deutsch und schwer.

Ich hieß den Wind mich aufwärts heben,

ich lernte mit den Vügeln schweben, -

nach Süden flog ich übers Meer.

Vernunft ? Verdrießliches Geschäfte !

Das bringt uns allzubald ans Ziel !

Im Fliegen lernt ich, was mich äffte, -

schon fühl ich Mut und Blut und Säfte

zu neuem Leben, neuem Spiel ..

So jung, so falsch, so umgetrieben

scheint ganz ihr mir gemacht zum Lieben

und jedem schönen Zeitvertreib !

Im Norden - ich gesteh's mit Zaudern -

liebt ich ein Weibchen, alt zum Schaudern:

"die Wahrheit" hieß dies alte Weib ..