Ferdinand Freiligrath

Schiffbruch (Ferdinand Freiligrath)

(Fragment; aus "Gedichte", 1838)

   

Wohl wünsch ich vieles mir; doch, wär' ich ein Matrose,

Dann wünscht' ich einen Sturm und eine Wasserhose

Im fernsten Südmeer mir; dann wünscht' ich, daß mein Schiff

Der zürnenden Gewalt des Trombengeists verfiele,

Daß, mast- und segellos, es säße mit dem Kiele

Gespießt auf ein blutrot, turmhoch Korallenriff.

Des Meeres Arme sind die zackigen Korallen;

Aus seiner Tiefe streckt es sie, wie blut'ge Krallen,

Nach den belasteten Ostindienfahrern aus;

Und hat es sie gefaßt, dann hält es sie den Schlägen

Der Stürzflut und dem Zorn des Tropensturms entgegen,

Und reißt sie jauchzend in sein wunderbares Haus.

Die Wände seines Saals - Eisberge! glänzend stehen

An beiden Polen sie! - bedeckt es mit Trophäen:

Der Schiffe Flaggen und zerrißne Segel sind's.

Ha, wär' ein Schiffer ich, dann wollt' ich, so versänke

Mein Schiff, geschleudert auf die scharlachroten Bänke

Des unbekanntesten und fernsten Labyrinths

Wie Kinder ruhn sie an der Brust des Ozeanes;

Sie lächeln durch den Sturm; die Stimme des Orkanes

Stört ihren Schlummer nicht; des Meeres schäumend Naß,

Das sie mit Untergang bedroht, macht sie nicht zittern:

So lächelnd schlummerte, inmitten von Gewittern,

Der Sohn des Menschen einst auf dem Tiberias. -

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3 15 004911 3
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.