Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Mein Engel, kannst du mich nicht lieben... (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

Mein Engel, kannst du mich nicht lieben,

Ist meine Not dir nur ein Gaukelspiel?

Verlachest du denn mein Betrüben

Und hat dein Grausamsein kein Ziel?

      Du sagst zwar viel von deiner Güte,

                Doch wo ist Frucht?

      Ist deine Gunst nur lauter Blüte,

So ist dein Brennen nichts als Wassersucht!

Warum willst du das Tor verschließen,

In dem die Liebe Einzug nehmen will?

Laß deine Brunst doch sicher schießen

Und halte meiner Regung still.

      Du darfst dich nicht, mein Engel, schämen,

            Den Ehrenpreis

      Wird niemand können von dir nehmen,

Weil ich allein von diesem Diebstahl weiß.

So darf die Furcht dich nicht verblenden,

Als wenn der Schmerz unüberwindlich sei,

Ich weiß bereits aus meinen Händen:

Die Angeln reißen nicht entzwei.

      Du wirst als Helden dich begrüßen,

            Wenn etwas Blut

      Gleich möcht aus zarten Adern fließen,

Genug: Du weißt, daß es uns sachte tut.

Will dein Gewissen nicht erschrecken,

So denk, die Jugend sei in Glut entbrannt;

Wer wird in heißen Flammen stecken,

Dem eine Löschung ist bekannt?

      Es wird das Alter bald verstören,

            Was Feuer ist,

      Und du wirst solches besser ehren,

Wenn in der Blüt du abgekühlet bist.

Ich wüßte nicht, was dich sollt neigen,

Daß deiner Schoß du keine Feier gönnst,

Ach! sorge nicht für einen Zeugen,

Weil du mein treues Lieben kennst!

      Die Kunst kommt der Natur zu Hülfe,

            Kein Anker haft',

      Wenn er gesenkt im ersten Schilfe

Und nur vom Schlunde nicht wird hingerafft.

Drum laß die Stützen voneinander,

Auf welchen dieses Schloß sich ruht.

Du weißt, ich bin nicht Alexander,

Der alles mit der Hitze tut.

      Ich will beim Kindchen erst probieren,

            Was Sanftmut sei,

      Und wo er sich nicht wird verlieren,

Alsdann zerbricht den Trotz die Macht entzwei.

Was hilft mir doch ein bloß Berühren,

Wenn ich die Ros vom Stock nicht pflücken soll,

Darf ich die schnöden Hände zieren

Und füllen nicht das Herze voll?

      Verachte nicht die andern Glieder,

            Weil keines schlecht –

      Sind dir die Finger nicht zuwider,

Warum ist dir der Daumen denn nicht recht?

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-251-00169-8
Erschienen im Buch "Komm. Ziehn dich aus."
Herausgeber: Haffmans Verlag