Christian Hofmann von Hofmannswaldau

Die allgemeine Vergängligkeit (Christian Hofmann von Hofmannswaldau)

                 

ES zeiget sich der Tod in iedem Augenblicke /

    Der Tag / so gestern war / kommt nimmermehr zurücke;

    Er ist dahin / bleibt hin / und starb nach seiner Art;

    Der Lippen kluges Wort / das Werck gelehrter Hände

    Hat seinen Untergang / und sein bestimmtes Ende /

    Was Welt und weltlich heist muß auf die Todesfahrt.

Was stirbt uns täglich nicht an prächtigen Gedancken?

    Was Leichen liegen nicht in diesen weiten Schrancken?

    Was Schlösser sincken nicht durch Hoffnung aufgebaut?

    Was stirbet nicht in uns von Regung und Begierde?

    Was stirbet nicht in uns von Anmuth und von Zierde?

    Der Mensch ist Leichenvoll / wenn er sich recht beschaut.

Die Kindheit ist verwest / und kommt zu uns nicht wieder /

    Der Frühling der Gestalt / der Sommer unsrer Glieder /

    Der Sinnen weiser Herbst / der That mit Rath verbringt /

    Verstreicht / erstirbt / erblast. An stat der weissen Seyde /

    Gehn wir mit grauem Haar und Runtzeln in dem Leide /

    Weil Hust- und Keuchen uns ein heisser Grab-Lied singt.

Das Alter muß in sich die schwartze Bahre haben /

    Verschleust sich wie ein Tuch / wird in sich selbst begraben /

    Und schickt den kleinsten Rest des Leibes in das Grab /

    Verstirbt auch eh es stirbt / Ihm / Freunden / Kind und Weibe /

    Und sucht / so gutt es kan / dem abgematten Leibe

    Der Kindheit erstes Pferd / halb kindisch einen Stab.

Diß was durch Menschen Hand ist worden aufgeführet /

    Die Seule / die erkühnt die Wolcken fast berühret /

    An der vermischtes Ertzt umhalst den Marmelstein /

    Stirbt eben so / wie wir. Wir schauen / wie die Bogen /

    Dadurch Domitian und Titus ist gezogen /

    Zustümmelte Geripp' und halb begraben seyn.

Diß was Vespasian zum Schauplatz ihm erkohren /

    Und in dem Tode noch Paläste hat gebohren /

    Ist zwar Verwunderung / doch auch des Traurens werth /

    Nichts lebet / was allda gesessen und geschauet /

    Es hat / was dazumahl auf ewig war gebauet /

    Der Zeiten Zahn zermalmt / der Jahre Rest verzehrt.

Das grosse Capitol / der Brunnen der Gesetze /

    Der Sieger treue Schloß / der Sammelplatz der Schätze /

    Da vormahls ieder Raum lag Kunst und Reichthum voll /

    Hat aufgehört zuseyn: was Capitol itzt heisset /

    Und jenem alten gleich zuwerden sich befleisset /

    Dient itzt vor Grabe-Stein dem alten Capitol.

Aegyptens Wunderwerck geht mehrentheils zu Grunde /

    Des Rhodis Roland hat vorlängst die letzte Stunde /

    Mausolus Wunder-Grab ist Leiche dieser Zeit:

    Die Pracht in Epheso / die Macht von Babels Mauren /

    Die wusten vor der Hand der Zeiten nicht zu tauren /

    Kein Bild des Jupiters / kein Pharos blieb befreyt.

Die Stadt in Griechen-Land / wo Kunst und Pracht gesessen /

    Die hat der harte Zahn der Zeiten aufgefressen /

    Ihr Witz und Höflichseyn ist in der faulen Nacht /

    Es liegt die Barberey auf diesen edlen Leichen;

    Wo vor die Stoa war / dar schaut man Nattern schleichen /

    Und ist zu wenigern / als Ziegel Grauß gemacht.

Was angeanckert schien dem Mittel-Punct der Erden /

    Verfiel zu seiner Zeit und must ein Unding werden /

    Carthago und Corinth liegt itzt dem Boden gleich.

    Was itzt noch mächtig ist / wird auch nicht ewig bleiben /

    Die Mauren kan die Zeit als wie das Fleisch zerreiben /

    Und alles zeucht der Todt in sein verweßlich Reich.

Man sagt vor Zeiten ist Lyceum groß gewesen /

    Wer weiß / wer künftig wird in der Sorbone lesen?

    Areopagus fiel: das grosse Parlament /

    So Franckreich mächtig macht / kan endlich auch verschwinden;

    Es mag was weltlich ist mit Ertzte sich verbinden /

    So wird es durch den Stoß der Zeiten doch getrennt.

Es läst der Berge Last sich ihre Last bestreiten /

    Die Wälder brechen ein: Was hemmt den Sturm der Zeiten /

    So Städte niederreist / und Länder tilgen kan?

    Es ist die alte Welt ein grosses Bein-Hauß worden /

    Es muß die neue Welt auch in den bleichen Orden /

    Und was den Anfang hat / muß auf die Todes-Bahn.

Kan sich die gantze Welt des Todes nicht erwehren /

    Wie wollen wir uns doch durch Ach und Ach verzehren /

    Wenn da und dort ein Freund uns aus den Augen tritt?

    Wir folgen diesen nach / so uns zuvor gegangen /

    Und keinen Frey-Brieff kan die Sterbligkeit erlangen;

    Der Tod ist der Natur ein allgemeiner Schritt.

Ich bin nicht Stahl und Eiß; und kan hier leicht gedencken /

    Der edlen Freundschaft wird diß Hertz und Sinnen kräncken /

    Daß Bruder / Mann / und Freund itzt auf der Bahre steht /

    Daß nun die Hoffnung ist mit ihm zugleich gestorben /

    Und seine Jugend nicht die Jahre hat erworben /

    Da man gebuckt und grau zu seinem Grabe geht.

Daß / wie der Anfang war / das freundliche Gelücke

    Ihn ferner nicht gekrönt mit angenehmen Blicke /

    Und Lorber-Zweige hat dem Scheitel beygelegt /

    Daß seiner Tugend nicht mehr Früchte zugeflossen /

    Davon er allbereit die Würdigkeit genossen /

    Daß man mit Helm und Schild ihn itzt zu Grabe trägt.

Daß ihn der Todt vielleicht der Ehre nun entrücket /

    Die ihn vor diesem hat begrüst und angeblicket /

    Daß er vom Sonnenschein in diesen Schatten muß /

    Daß man ihn in die Schoß der Fäulnüß sol versencken /

    Und das Gelück ihn nicht sol aus dem Becher träncken /

    Der angefüllet ist mit Lust und Uberfluß.

Was hier verfaulen wird / keimt zu dem neuen Leben;

    Der Höchste wird den Leib der Seelen wieder geben /

    Denn sol auf Ewigkeit ein neu Verlöbnüß seyn.

    Last ruhen / was ihm Gott zu Bette hat geführet /

    Der Vater liebt ein Kind / wenn er Gehorsam spüret /

    Kommt doch auf diese Nacht der rechte Sonnenschein.

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-008889-5
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.