Arthur Fitger

Vaterzorn (Arthur Fitger)

Schlaf süß, mein liebes Kind, schlaf sacht;

dein Vater ist in Bann und Acht;

dein' Mutter ist ein Königskind;

o weh, wie eisig geht der Wind!

Wie stäubt der Schnee am Höhlenrand!

Und Fetzen sind dein Schlafgewand.

»O König, stellt das Jagen ein,

was klingt und singt im hohlen Stein?«

Schlaf süß, mein liebes Kind, schlaf sacht;

dein Vater schweift auf ferner Jagd,

auf ferner Jagd im wilden Tann,

bis Beute sein Geschoß gewann.

O wehe, weh, durch Mark und Bein

wie grimmig nagt des Hungers Pein!

»O König, König, horcht, es klang,

wie weiland Eure Tochter sang.«

Schlaf süß, mein liebes Kind, schlaf sacht;

des Waldes Raubgetier erwacht,

und nah und näher dräut uns schon

der Wölfe langer Klageton.

O weine nicht, o schweige nur,

du lockst sie, ach, auf unsre Spur.

»O König, hört ihr Angstgestöhn!

Und war so jung und war so schön!« 

Schlaf süß, mein liebes Kind, schlaft sacht;

verbannt ins Grau'n der Winternacht

sein Kind bist du, sein Weib bin ich,

und selig preis ich dich und mich,

und unter uns wie tief, wie weit,

liegt all der Erde Herrlichkeit.

»O König, und sie war so gut,

solch lachend Herz, solch fröhlich Blut.«

Und stille ward's in Fels und Kluft,

da ging ein Brausen durch die Luft;

auf zog am eisigen Himmel schwer

und warm ein dunkles Wolkenheer

und kündet' aus des Frostes Bann

Erlösung leise tropfend an.

»O König, König, berget nicht

die Trän' auf Eurem Angesicht.«

»O König, König, über Nacht -

Gott segen's, ist der Lenz erwacht.«

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Vom goldnen Überfluss"
Herausgeber: R. Voigtländers Verlag