Matthias Claudius

Als der Sohn unsers Kronprinzen, gleich nach der Geburt, gestorben war

nach der Geburt, gestorben war

           

Mit den vielen andern, Groß und Kleinen,

    Klag' ich schmerzlich Deinen Tod;

Will bei Deinem Sarge satt mich weinen

    Und die Augen rot.

Nicht: daß Du Dich nicht, nach Herzensgnüge,

    An die holde Mutter schmiegst,

Und daß Du, statt freundlich in der Wiege,

    Tot im Sarge liegst, –

Hier ist Vorplatz nur, spät oder frühe

    Gehn wir alle weiter ein,

Und es lohnt sich wahrlich nicht der Mühe

    Lange hier zu sein,

Nicht: daß Du des Vaters Glanz hienieden

    Und sein Königreich nicht sahst,

Und daß Du die Krone, Dir beschieden,

    Nicht getragen hast; –

Ach, die Kronen sind nicht ohne Bürden,

    Sind nicht ohn Gefahren, Kind!

Und es gibt für Menschenkinder Würden,

    Die noch größer sind;

Sondern: daß wir hier ein Land bewohnen,

    Wo der Rost das Eisen frißt,

Wo durchhin, um Hütten wie um Thronen,

    Alles brechlich ist;

Wo wir hin aufs Ungewisse wandeln,

    Und in Nacht und Nebel gehn,

Nur nach Wahn und Schein und Täuschung handeln,

    Und das Licht nicht sehn;

O du Land des Wesens und der Wahrheit,

    Unvergänglich für und für!

Mich verlangt nach dir und deiner Klarheit;

    Mich verlangt nach dir.

Verfügbare Informationen:

ISBN: 3-458-33878-0

Erschienen im Buch "Der Mond ist aufgegangen"

Herausgeber: Insel Taschenbuch Verlag

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