Theodor Körner

Treuröschen (Theodor Körner)

             

Es war ein Jäger wohl keck und kühn,

    Der wußte ein schönes Röschen blühn;

    Das hielt er höher als Gut und Gold;

    Es wurd' ihm im Herzen gar licht und hold,

        Wenn er nur Treuröschen sah.

            Trala, Trala, Trala.

Und wenn der Abend die Flur betaut',

    Da zog der Jüngling zur süßen Braut;

    Er zog hinauf mit Sing und Sang,

    Mit Liederton und Hörnerklang,

        Bis er Treuröschen sah.

            Trala, Trala, Trala.

»Treuröschen, Treuröschen! hörst du das Lied,

    Wo nur dein Name lebt und blüht?

    Vorüber ist das bräutliche Jahr;

    Bald führ' ich Treuröschen zum Traualtar.«

        Da spricht Treuröschen: »Ja!«

            Trala, Trala, Trala.

Und wie er vom Pferde gesprungen ist,

    So sitzt er beim Liebchen und scherzt und küßt

    Und scherzte bis um Mitternacht

    In stiller, heitrer Liebespracht,

        Treuröschens Herzen so nah.

            Trala, Trala, Trala.

Die Sternlein verbleichen, der Morgen graut.

    Der Jäger kehrt heim von der süßen Braut

    Und jagt hinab durch Wald und Flur

    Und folgt einem Hirsch auf flüchtiger Spur,

        So schön, wie er keinen noch sah.

            Trala, Trala, Trala.

Und der Hirsch vom hohen Felsenstein

    Springt blind in das Klippental hinein,

    Und hinter ihm stürzt ins tiefe Grab

    Das wütende Pferd mit dem Reiter hinab.

        Kein Auge ihn wieder sah.

            Trala, Trala, Trala.

Und wie der Abend den Tau geweint,

    Da harret Treuröschen auf ihren Freund

    Und harret und hofft auf Sing und Sang,

    Auf Liederton und Hörnerklang,

        Den Buhlen nicht kommen sah.

            Trala, Trala, Trala.

Und als es kam um Mitternacht,

    Treuröschen noch traurig im Bette wacht;

    Sie weinte sich die Äuglein rot.

    »Was läßt du mich harren in Angst und Not?

        Lieb Buhle, bist noch nicht da?«

            Trala, Trala, Trala.

Und auf einmal hört sie Hörnerklang,

    Und es flüstert ihr leise wie Geistersang:

    »Komm, Liebchen! Bist mir angetraut;

    Das Bett ist bereitet; komm, rosige Braut!

        Der Buhle ist längst schon da.«

            Trala, Trala, Trala.

Da faßt sie ein Schauer, so eisig und kalt,

    Und sie fühlt sich umarmt von Geistergewalt,

    Und heimlich durchweht es ihr bebendes Herz

    Wie Hochzeitlust und Todesschmerz,

        Und zitternd flüstert sie: »Ja!«

            Trala, Trala, Trala.

Verfügbare Informationen:
Erschienen im Buch "Körners Werke"
Herausgeber: Max Hesses Verlag