Nikolaus Lenau

Herbstentschluß (Nikolaus Lenau)

           

Trübe Wolken, Herbstesluft,

Einsam wandl ich meine Straßen,

Welkes Laub, kein Vogel ruft –

Ach, wie stille! wie verlassen!

Todeskühl der Winter naht;

Wo sind, Wälder, eure Wonnen?

Fluren, eurer vollen Saat

Goldne Wellen sind verronnen!

Es ist worden kühl und spät,

Nebel auf der Wiese weidet,

Durch die öden Haine weht

Heimweh; – alles flieht und scheidet.

Herz, vernimmst du diesen Klang

Von den felsentstürzten Bächen?

Zeit gewesen wär es lang,

Daß wir ernsthaft uns besprechen!

Herz, du hast dir selber oft

Wehgetan und hast es andern,

Weil du hast geliebt, gehofft;

Nun ists aus, wir müssen wandern!

Daß wir unsern letzten Gang

Schweigsam wandeln und alleine,

Daß auf unsern Grabeshang

Niemand als der Regen weine!

(1833)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-458-33686-9
Erschienen im Buch "Gedichte"
Herausgeber: Insel Verlag