Muhammad Schams ad Din Hafis

Schön, mein Fürst, kömmst du einhergeschritten... (Muhammad Schams ad Din Hafis)

Schön, mein Fürst, kömmst du einhergeschritten:

    Sterben will ich drum zu Füßen dir;

Schön bewegst du dich, mein holder Türke:

    Sterben will vor deinem Wuchs ich hier.

»Wann«, so sprachst du, »willst du vor mir sterben?

    Was bedeutet diese große Hast?«

Schön beschließest du, und sterben will ich

    gern vor dem, was du beschlossen hast.

Trunken bin ich, bin getrennt und liebe;

    doch der Schenkengötze zögert lang;

Daß vor seiner Hochgestalt ich sterbe,

    komm' er her mit anmutvollem Gang.

Er, durch dessen Trennung ich erleide

    lebenslanger Krankheit Mißgeschick,

Seh' nur einmal her auf mich, und sterben

    will ich dann vor seinem Schelmenblick.

»Die Rubinen meiner Lippen«, sprachst du,

    »Schmerzen bald und heilen bald das Herz.«

Laß mich denn zuweilen vor der Heilung

    und zuweilen sterben vor dem Schmerz.

In der stillen Kammer deiner Liebe

    findet für Hafis kein Plätzchen sich:

Laß denn du, der jeden Ort verschönert,

    sterben mich an jedem Ort für dich!

(Übersetzung: Ritter V. von Rosenzweig-Schwannau)

Verfügbare Informationen:
ISBN: 3-15-009420-8
Erschienen im Buch "Gedichte aus dem Diwan"
Herausgeber: Philipp Reclam jun.